11.6.2010: Ich besuche mit meinem Vater ein Green-Day-Konzert in Riem, rege mich etwas über die Band aufgrund des penetranten Rock-Star-Getues auf der Bühne auf und schreibe einen
Konzertbericht auf bierschinken.net, der aufgrund der absichtlich etwas prolligen Schreibweise vermutlich zurecht eher negative Kritiken in den Kommentaren bekommt. Damals habe ich mir insgeheim gedacht, wie geil es jetzt wäre, würde da nicht Green-Day mit ihrem penetranten "heyjäijäiäi" nerven, sondern eine richtig kompromisslose Punktruppe spielen. Zum Beispiel die Terrorgruppe, deren Reunion im Jahre 2010 noch nicht abzusehen war. Gut, wer es der Band tatsächlich geglaubt hat, dass sie nie wieder weitermachen würde, ist damals schon genauso blöd gewesen wie derjenige, der dies den Böhsen Onkelz abgenommen hätte. Aber der Zeitpunkt war zumindest strittig.
Jetzt, 2017, Live-Album der Band und die Parallelen zu Green Day sind entsetzlich. Nahezu kein Klassiker kann zu Ende gespielt werden, ohne dass der MC irgendeine belanglose Mitmach-Scheiße auf das Publikum einbrüllt. Kostproben? "Und wer kann hier auch schon mit Gabel und Messer essen?" und "Los alle, mitsingen hier, ihr leises Stück Scheiße" bei "Immer besser". "Singt mit uns intelligente Texte" und "jetzt ihr alleine, lauter" bei "Rumhängen". "Ey Ladies und Jungs, nicht so ängstlich..." bei "Allein gegen alle". Es ist dem Sänger nicht mal zu dumm die Leute aufzufordern, bei "Angela" dieses Schlabbergeräusch mitzumachen. Genug der Kostproben. Das wär ja alles nicht schlimm, im Gegenteil, manchmal passen Mitsingteile und Animationen sehr gut, gleich in welchem Genre. Nur wenn das dermaßen inflationär verwendet wird, ist das nur noch lästig, besonders weil es wie eine Art Schizophrenie anmutet, da der Sänger an anderer Stelle scheinbar ironisch mit diesen Klischees spielt, indem er das Publikum (ähnlich wie vor der Auflösung) auffordert, ihn mit "Fick dich du Arschloch!" anzuschreien. Wie wenn man es mit zwei Sängern zu tun hätte, fordert er an anderer Stelle (nach "Russenhitler") wie eine Schülerband, die zu viel beleidigte Leberwurst gefrühstückt hat und mehr Aufmerksamkeit braucht, das Publikum dazu auf, mehr Pogo zu tanzen. Bei "Leider nur ein Traum" bezieht sich MC anstatt auf Möllemann auf Mario Barth und möchte diesen töten, vergisst dabei aber, dass er direkt im anschließenden "Keine Airbags für die CSU" vom geistigen Niveau und der Stimmmodulation in der abschließenden Ansage genauso klingt wie ebenjener Komiker. Vor "Sabine" klingt er dann auf einmal, wie wenn er einen Schnupfen hätte.
So. Außer dem Verhalten des Sängers nervt aber gar nicht so viel auf dieser prall gefüllten Doppel-CD. Die Keyboards sind natürlich entsetzlich und passen, bis auf wenige Ausnahmen, überhaupt nicht zum Soundkonzept, ebenso gehen die Einspieler von irgendwelchen Filmzitaten mächtig auf die Nüsse. Doch der Rest ist solider Punk- bis Stadionrock. Sowohl die Klassiker als auch die neuen Lieder werden schmissig und mit Druck rübergebracht. Generell: Tolle Mischung aus älteren und neueren Songs - da bleibt tatsächlich kein Wunsch offen. Auch ist Johnny Bottrops Geschichte über Tante Liesbeth in der Mitte von "Tante Gerda" echt witzig, der Spaß wird jedoch, wie könnte es anders sein, von MC Motherfucker getrübt, der wie ein von Minderwertigkeitskomplexen geplagtes ADHS-Kind penetrant dazwischen brüllt, ohne auch nur ansatzweise etwas Gehaltvolles beizusteuern.
Also: Eine wirklich tolle Zusammenstellung der Terrorgruppe, ich schreibe eine CD-Kritik auf bierschinken.net, der ich aufgrund der absichtlich etwas prolligen Verhaltensweise des Sängers vermutlich zurecht eine eher negative Kritik ausspreche. So schließt sich der Kreis.
Ich freue mich auf die nächste Tour mit Green Day als Support und höre mir jetzt eine Runde Night Fever oder Affenmesserkampf an.