Kratzreiz:
Orks vs. Punkrock
Musikalisch macht Kratzreiz in meinen Augen nichts falsch. Der Gitarrist spielt gute Riffs (beispielsweise bei "Menschen sind nun mal oft scheiße" oder "Arschwackellied") und auch die Melodien sind echt ganz gut (z.B. Refrain von "Das größte Arschloch"). Besonders wenn das Tempo angezogen wird, könnte man meinen, dass wir es hier mit einer mehr als durchschnittlichen Punkband zu tun haben könnten.
Aber dann gibt es einfach zu viel, was man an der Musik noch optimieren könnte. Der Sänger kann nämlich nicht so wirklich gut singen. Die Tonlage ist irgendwie konstant zu tief und sobald es etwas höher wird, werden die Töne recht schief getroffen (nachzuhören bei dem textlich etwas grenzwertigen "Lied der Frauen"). Auch die Chöre sind nicht so innovativ, da sie selten über das übliche "Whohoho" hinausgehen. Wie bereits angedeutet, sind die Texte wohl witziger gemeint, als sie dann letztendlich rüberkommen. Mir fehlt da ein wenig die ironische Distanz. Besonders jüngere Punk-Hörer werden jedoch sicher Gefallen an Zeilen wie "renn (in?) mein Haus und scheiß mich an" aus "Fetischtod" oder "Ich will einfach vor dem Fernseher sitzen und ne Tüte Chips verdrücken, mir ein warmes Bad einlassen, die Lieblingsserie nicht verpassen, Fressen, Saufen, Schlafen, Ficken, meine Partnerin beglücken, keinen Stress und keinen Streit, ich bin noch nicht betriebsbereit" aus "Betriebsbereit" haben.
Am Song "Das Mädchen aus Amsterdam" kann man die "Pros und Kontras" der Band exemplarisch ganz gut aufzeigen: Das Lied beginnt richtig launig mit schnellem Rhythmus und markantem Gitarrenriff. Macht enorm Bock. Auch die Melodie ist cool. Doch das Lied zieht sich mit 3:32 einfach viel zu lang. Strophe 1 beginnt bei gut 0:30. Strophe eins lautet: "Das Mädchen aus Amsterdam lässt jeden ran, lässt jeden ran. Das Mädchen aus Amsterdam lässt jeden ran, lässt jeden ran. Das Mädchen aus Amsterdam lässt jeden ran, lässt jeden ran. Das Mädchen aus Amsterdam lässt jeden ran, lässt jeden ran." Ich schreibe das jetzt mal bewusst aus, denn in etwa so langatmig wie sich das liest, klingt es auch. Bei knapp einer Minute dann der Refrain: "Du musst nicht schlau sein und auch nicht schön, ja du musst nicht mal mehr grade stehen, ungewaschen, auch unrasiert, hat das Mädchen nie interessiert." Es folgt eine 2. Strophe: "Das Mädchen aus Amsterdam lässt jeden ran, lässt jeden ran. Das Mädchen aus Amsterdam lässt jeden ran, lässt jeden ran. Auch dich lässt das Mädchen ran, in Amsterdam, in Amsterdam. Fährst du einmal irgendwann nach Amsterdam, nach Amsterdam." Es folgt wieder ein etwas textlich abgewandelter Refrain. Wenn hier, bei ziemlich genau 2 Minuten, Schluss wäre, wäre das Lied ein echt solider Saufhit. Dann wird das Riff vom Beginn wiederholt, nochmal ein abgewandelter Refrain. Drei Minuten. Auch wenn hier Schluss wäre, wäre das Lied immer noch ein okayer Saufsong. Dann folgt aber noch ein einfach unnötiges Intro für den nächsten Song. Und so wechseln sich Licht und Schatten bei nahezu allen Liedern des Albums ab.
Kurze Zusammenfassung:
Gut gefallen mir:
- Musikalische Fähigkeiten der Band, vor allem die markanten Gitarrenriffs und die schnelleren Passagen.
- Das Gespür für gute Melodien
Ausbaufähig finde ich:
- Die Stimme des Sängers
- einige der Texte
- die Songlängen (also die eben nicht ausbaufähig, sondern eher abbaufähig)