"Im Übrigen fängt Kritik nicht damit an,
dass sie an sich die kritische Frage stellt,
ob sie weiter geht, konstruktiv und praktisch ist.
Sie beginnt damit dass man sich Rechenschaft ablegt darüber,
woher all das kommt,
was man als Belästigung und Schaden wahrnimmt.
Wer auf das bisschen Ursachenforschung verzichtet,
vertut sich womöglich im Engagement,
sucht sich Ort, Zeit, Adressat und Gegner falsch aus.
Dann vergeht seine Jugend, und er war auf der Wallstreet zelten,
hat ganz viele Petitionen unterschrieben und Grüne gewählt,
während die Klassengesellschaft funktioniert, dass es kracht!"
(STRAFPLANET-Aktualisierung eines Zitats der Marxistischen Gruppe aus den 80ern)
Wenn man die Nase in kluge Texte steckt, vergeht die Jugend übrigens auch. Man macht sich aber ein paar Illusionen weniger, und das kann nur gesund sein angesichts einer Welt, die Idealismus und Selbstaufopferung zuverlässig immer dann belohnt, wenn sie dem großen Ganzen dienen; dann entstehen Parteikarrieren oder "Start-Ups", expandiert die bürgerliche Wissenschaft, und "bewusster Konsum" wird als Allheilmittel gepriesen - alles zum Nutzen einer Weltordnung, die man eigentlich einmal abschaffen wollte, weil man irgendwie gespürt hat, dass sie so töfte dann doch nicht ist.
Falls du das noch willst und vielleicht sogar jung bist und dieses "Irgendwie" mit Inhalt füllen willst, hör STRAFPLANET! Aber belasse es nicht beim Hören, du musst auch irgendwas kaputt machen. Wenigstens aber böse gucken! Und wenn du ganz verwegen bist, liest du einen klugen Text. STRAFPLANET nämlich sind eine ganz hervorragende DIY-Hardcore-Punk-Band, die nicht nur in Sachen Groove, Krach, Sound und GITARRENSOLI (jawohl!) alles richtig macht, sondern auch in Sachen Texte. Da geht es - anders als oft in diesem Genre - weder um den bösen Menschen an sich (dazu sagen STRAFPLANET auf diesem Album übrigens ganz treffend: "Thomas Hobbes you fucking piece of shit!") noch darum, den Planeten doch bitte endlich irgendwie mal vor den Menschen zu retten, und es geht auch nicht um Beziehungs- oder Befindlichkeitsprobleme. Es geht um die knallharten materiellen Grundlagen der Welt, in der wir leben, ihren Charakter als kapitalistische Klassengesellschaft (Bertolt Brechts "Lied vom Klassenfeind" findet hier z.B. eine interessante Interpretation, der Höhepunkt der Platte) und um den Umgang der Menschen damit. Direkt am Anfang z.B. geht es um den weit verbreiteten Irrtum, dass Meinungsfreiheit in der bürgerlichen Gesellschaft irgendwas Gutes wäre:
"why do we need permition to think
since everyone does it anyway all the time?" (Mehr dazu z.B. hier:
http://www.gegenstandpunkt.de/radio/2006/ga060320.htm)
Auch andere ideologische Vorstellungen werden kaputt gemacht, z.B. die Merkwürdigkeit, dass eine "Volksherrschaft" für das Wohl der Menschheit eine Notwendigkeit darstellen soll:
"a relationship of domination needs
subject and object
but if the people rule whom must they serve
and who must serve them
doesn‘t rule obey and serve
lose all meaning when subject
and object are identical?"
Das ist alles durchweg durchdachter und klüger als das übliche "Alles scheiße" - auch wenn es im Endeffekt in diesem Genre natürlich schon irgendwie darauf hinausläuft und STRAFPLANET ihre Kritik an der Gesellschaft notgedrungen stark verkürzen. Warum aber auch nicht? Normalerweise kommen aus dieser Ecke nämlich eher dezent zu lange Audioaufnahmen (siehe
www.argudiss.de) - wobei auch die sich lohnen, wenn man mal das Bedürfnis hat, sich den ein oder anderen kritikablen Gegenstand, der einem so tagtäglich schadet, zu erklären. Hat man das geschafft, ist man halt wütend, und das muss irgendwie raus, dann sind wir wieder beim Punk - eine Win-Win-Situation, wie sie der Kapitalismus nicht schöner hätte erfinden können! Los, KAUFEN (und in die Bude hängen, denn ist das Cover nicht übrigens auch total schön?)!