Notgemeinschaft Peter Pan:
s/t
Deutschpunk ist ja (wieder) etwas politischer geworden - vielleicht ist das dem Rechtsruck in der Gesellschaft und der Hetze gegen Geflüchtete geschuldet. Die Notgemeinschaft Peter Pan (in Folge Notis) waren immer politisch und nicht nur so "Wir sind gegen Nazis und rufen Nazis raus wenn es gut in die Stimmung passt (yeah alle mal mitklatschen und so)" sondern die Notis sind immer "Antifascist in your face" - mit Erklärung und ausführlichen Ansagen - und damit auf Konzerten niemand behaupten kann, er hätte die Texte nicht verstanden, werden die laminiert zum Nachlesen ausgeteilt - nicht verstanden? Sechs, setzen oder raus hier!
War unser erstes Zusammentreffen Ende 2013 im Kastanienkeller noch etwas rumpelig, wurde es 2016 eine Freundschaft und auch eine Liebe. Im Unterschied zu 2013 waren 2016 die Notis nur zu dritt und in meinen Augen viel sympathischer. In den letzten zwei Jahren sind wir uns häufiger übern Weg gelaufen und seither wurde regelmäßig in verschiedenen Stadien über das neue Album gesprochen - das erste zu dritt und jetzt endlich ist es da. Hurra! Also zumindest für mich, der es jetzt schon hören darf.
Das Album beginnt, wie die anderen aufgehört haben. Druckvoll, schnell und rotzig und doch ist eine Weiterentwicklung deutlich hörbar. Musikalisch haben die Notis sich nicht neu erfunden - Flanger, Synthies oder Scratchen sind nach wie vor nicht vorhanden (am Ende gibts nen Klavier oder so), aber dafür ist alles weniger rumpelig und mit viel mehr Feinheiten in den Songs (krummer Takt, schicke Breaks) und beim Sound, ohne belanglos und überproduziert zu klingen, eingespielt. Und beim Gesang wurde experimentiert und das haut mega gut rein: Beim zweiten Track "Kleben & Kleben lassen", der sich mit Graffiti beschäftigt, singt Schlagzeuger Mario in der Strophe einfach mal wie Falco - angerappt und es fehlt eigentlich nur der Wiener Schmäh.
Dass die Texte nicht mehr vom alten Sänger kommen: geschenkt. Es reimt sich, wenn es sich reimen soll, und wenn nicht auch egal. An Angepisstheit über Missstände in der Gesellschaft lassen die Text nichts missen und sie belassen es nicht nur bei "Nazis raus" und "Refugees welcome" Rufen, sondern setzen sich reflektiert mit Sexismus in der weißen Cis-Punkszene ("Nachsitzen in Sexualkunde, 1. Stunde. Das Oben-Ohne-Privileg"), bürgerliche "Helikopter-Eltern", die durch panisches Überbetüteln der eigenen Kinder die soziale Schere immer größer werden lassen oder die ätzenden deutsche Reisehorden, die mit deutschem Reinheitsgebot über andere Länder heimfallen ("Mikrocosmopoliten"). "Unter der Dusche sieht dich niemand weinen" ist ein Song für ein*e Freund*in, die* an Depressionen leidet und die fürsorgliche und empathische Grundhaltung des Textes treibt mir Tränen in die Augen. Und bei "Kleine Motivationshilfe" sind sich die Notis nicht zu schade, einen Schritt zurückzutreten und sich bei linken Aktivist*innen für ihre Arbeit zu bedanken und zeigen, wie auch Punktexte ordentlich gegendert werden können! Stemmen und Mario wechseln sich beim Singen regelmäßig ab und dadurch springt der Gesang herrlich zwischen Keifen (Stemmen) und Grölen (Mario) hin und her. Und ab und zu wird auch einfach klar gesungen. Auch fein.
Also, nach Antimanifests "Am Ende aller Tage" und NO°RDs "Paläste" kommt ein drittes großes Deutschpunk-Album, das mich die nervigen Bands die es sonst noch gibt und die leider auch immer noch Scheiße produzieren, etwas vergessen lässt. Das Warten hat sich gelohnt! Danke.