Fucked Up:
Dose Your Dreams
Jetzt dreht der Fünfer aus Toronto / Kanada komplett durch! Mit Hidden World (2006) und Chemistry Of Common Life (2008) machten sie bereits ihren Gesellenbrief, um dann 2011 mit David Comes To Life ihr Meisterstück abzuliefern. Wie schon HÜSKER DÜ dreißig Jahre zuvor mit ihrer Ausreißer-Geschichte auf Zen Acarde, kreierten FUCKED UP mit David Comes To Life ein Konzept-Album, in der der Hörer dem Werdegang von Hauptprotagonist David folgt. Genau dort knüpfen sie nun mit Dose Your Dreams an. David, nun mehr nicht mehr Rebell sondern fleißiger Angestellter in einem Büro, trifft in dessen Hinterhof auf Joyce, die in einer Mülltonne haust und ihn auf die Suche nach dem Sinn des Lebens schickt. Soviel kann man ruhig vom Beginn der Story verraten, den schon sehr kryptischen Rest muss sich jeder selbst erarbeiten. Textblatt hierfür liegt in Form einer Tageszeitung bei! Inspirieren lassen haben sie sich dabei übrigens beim irischen Schriftsteller James Joyces und dessen Roman Ulysses.
Das Album startet noch sehr typisch für FUCKED UP mit gewohnt disharmonischem Gebrüll von Sänger Damian Abraham (None Of Your Business Man) gefolgt von der ersten sehr starken Single-Auskopplung Raise Your Voice Joyce , bei der sie sich auch noch von bekannter Seite zeigen. Mit Song Nummer drei wird es dann schon etwas ausgefallener, was bei FUCKED UP`s experimenteller Musik ja schon was heißen soll. Bei Normal People horcht man dann das erste Mal auf und fragt sich, ob da nicht irgendwer heimlich die Platte getauscht hat. Das soll mir bei diesem Album jedoch noch einige Male öfter passieren. Nach einem gesprochenen Intro, das arg nach Iggy Pop klingt, folgen radiotaugliche Rockriffs, die irgendwann auf ein Saxophon treffen, das schon bei Raise your Voice Joyce seinen ersten kurzen und schiefen Auftritt hatte. Granatenstark! Vielleicht einer der besten Songs, die sie geschrieben haben. Ab der B-Seite von LP Nummer eins dreht es dann langsam total ab, so dass man bis auf Damian`s Gebrüll und viel Hall oftmals nicht mehr viel vom ehemaligen Sound der Band wieder erkennen kann. Es mischt sich Ambient mit Shoegaze, Noise mit elekronischen Beats und Spielereien (Talking to Pictures, Torch to Light, Dose Your Dreams). House of Keys bringt dabei nochmal den gewohnten Hardcore-Punk mit digitaler Unterstützung, der wohlige Erinnerungen an ATARI TEENAGE RIOT herauf beschwört.
Auf der zweiten Platte dieses Doppel-Albums gibt es dann nur noch alle paar Songs Vertrautes zu hören und somit leider auch weniger, mit dem ich etwas anfangen kann. Aber ich glaube, es wird nur wenig Leute geben, die dieses Album komplett abfeiern werden. Living In A Simulation beweist dabei mal wieder, dass Härte und Catchiness sich nicht ausschließen müssen und I don´t Wanna Live In This World Anymore bietet über Hair-Metal-Gitarren, Saxophon und Frauen-Chor am Ende nochmal alles auf. Dann geht es in für mich zu weit entfernte Sphären. Erneut viel Ambient, Gewaber, Geblubber und Frauengesang (How to Die Happy, Two I`s Closed) und etwas THE CURE beim dann doch wieder großartigen The One I Want Will Come For Me, das mal in seiner Gänze nicht von Abraham gesungen wird, wie auch an vielen anderen Stellen dieses Albums. Die Texte auf Dose Your Dreams stammen auch wohl nicht aus seiner Feder, sondern wurden alle von Gitarrist Mike geschrieben. Dann wieder eine harte Klatsche aus Beats, Gebrüll und Industrial bei Accelerate und mit Mechanical Bull MR OIZO Bumm-Bumm-Techno für den Auto-Scooter. Und zum Ende hin sogar Indie bei Came Down Wrong. Unterstützung bei all dem gab es unter anderem von J. Mascis, Margaret O´Hara und Streicher-Parts von Owen Pallet, der sonst auch schon mal für irgendwelche Pop-Stars komponiert.
Fazit: Große Kunst und komplett abgedrehter Genre-Mix-Wahnsinn mit viel Entdeckungspotenzial für jeden, der sich darauf einlassen kann.