Tipps Für Wilhelm:
Put Your Head On My Shoulder
Das erste Mal, an das ich mich erinnere, Guillermo (Sänger & Texter) gesehen zu haben, war in der Küche meiner WG irgendwann 2007 oder so. Er rauchte furchtbaren Billig-Tabak Kette, schüttete das Bier nur in sich so rein und machte trotz seiner eher schüchternen Art einen Kalauer nach dem anderen. Damals spielte er bei SUMO, einer melodisch-brachialen Indie-Rockband, die ich ziemlich abgefeiert habe (Album "Was ewig schien" bei Guido Lucas aufgenommen). Aber er hatte eher das Gefühl, da nicht wirklich richtig hinzugehören, und so endete das Ganze nach einem Album und einer ganzen Menge Konzerte, denn ohne ihn war die Band auch nix. Irgendwann kam er dann mit Tipps für Wilhelm (Wilhelm ist die deutsche Variante seines bolivianischen Namens) und obwohl ich da den ganzen Indiekrams tendenziell langweilig und nervig fand, begeisterte mich das Zeug und das Debutalbum "Hornissen" schon ziemlich.
Als es dann was von der neuen Platte, für die sich die Band 4 Jahre mehr oder weniger immer wieder in einem Ferienhaus in Mecklenburg-Vorpommern verkrochen hat und DIY aufnahm, war meine erste Reaktion "Noise-Rock?? WTF. Was geht jetzt bei euch??" Die Platte ist jetzt keine Noise-Kraut-Rock-Album, aber in den besten Momenten nähern sie sich musikalisch The Notwist und können es locker mit Belgrad aufnehmen. Es wird auf einem monoton Beat geduddelt, dann wieder quietscht die Gitarre auf und von irgendwoher kommt eine elektronische Spielerei, oder die Stimme wird durch den Sequenzer gejagt. Kombination aus Synthie und Noise-Gitarre: 1+ - und immer schön rhythmisch drauf - bei "Pepsi & Cola" wird auf einem The-Hives-Schlagzeug ordentlich gerockt inkl. minimalistischen J-Mascis-Gedächtnis-Solo! Bäm!
Guillermo habe ich als durchaus poetischen, aber nie besonders als politischen Menschen wahrgenommen, zumindest positionierten sich seine Texte dahingehend nicht direkt. Aber auch an ihm, der mit bolivianischen Wurzeln im Pott aufwuchs, ist scheinbar die rechte Hetze der letzten Jahren nicht vorbeigegangen - in "In den Slums von Disneyland" und "1993" beschäftigt er sich kritisch mit dem Leid von geflüchteten Menschen und dem Outing eines Freundes, in einer Zeit, in der es nicht leicht war, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen (und ja auch immer noch nicht sein muss). Das hebt das Album noch einmal deutlich mehr von all den alten Sachen ab.
Hier und da begibt sich die Platte in sehr sehr seichte Gewässer und das "düpdüpdüp" bei 1993 nervt - aber fuck it, kann Mensch drüber weghören! Die Hardcore-Punk-Fraktion wird die Nase rümpfen, der 70s-Punk entsetzt gucken und die echten Noiserocker den Kopf schütteln (die Meinung von Metalern ignoriere ich), aber alle, die mit einer gehörigen Portion Pop umgehen können, werden ihren Spaß an der Platte haben und bei "Zwischen Windrädern" an ihre erste Knutscherei mit der großen Flamme mit - mhh, sagen wir 13/14/15 denken. Und wie es da gekribbelt hat im Bauch.