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Filmkritik:
Convoy
„They're all following you!“
„No they don’t. I’m just in the front.“

Diesen Mann hätte man vermutlich nur sehr ungern als Chef gehabt. Der Fundus an Geschichten über die Launen des Sam Peckinpah ist reichhaltig. Autoritär, paranoid und misogyn sind Adjektive, die das Werk und Wirken des Regisseurs begleiten. Auf der Habenseite des Wahnsinns stehen dagegen einige Meisterwerke. Peckinpah drehte einen der besten Filme über Autos und zwei der besten Western aller Zeiten. „Convoy“ von 1978 ist ein Film über Autos, der sich wie ein Western anfühlt.

Hier finden die zuvor genannten Werke auch personell zusammen. Neben Ali Mac Graw („The Getaway“) sind in den Hauptrollen Songwriter und Schauspieler Kris Kristofferson („Pat Garret jagt Billy the Kid“) und der großartige Charakterdarsteller Ernest Borgnine („The Wild Bunch“) zu sehen. Inspiriert von einem Country-Song gleichen Namens und vom Regisseur unter der Prämisse, Geld verdienen zu müssen, angenommen, reicht „Convoy“ jedoch nicht ganz an die Qualität jener Klassiker heran. Auch stammt der finale Schnitt nicht von Peckinpah selbst, da ihm die Kontrolle von seinem Produzenten aufgrund zahlreicher Kokain-induzierter Eskapaden entzogen wurde. Doch dazu später mehr. Zunächst einmal erfreuen wir uns an den typischen Peckinpah-Themen Gewalt, Moral und Freiheit.

„Convoy“ erzählt die Geschichte von Rubberduck, einer lokalen LKW-Legende. Ein Ratschlag seines Vaters verhalf ihm zu seinem Rufnamen: „Stay smooth on the surface, but paddle like the devil underneath“. Den „Duck“ kennt jeder und doch bleibt er selbst, trotz aller Bewunderung lieber Einzelgänger. Im Rahmen einer Routine-Kontrolle geraten er und zwei weitere Trucker an Sheriff „Dirty Lyle“ Wallace, einen Kleinstadt-Cop mit großem Ego. Dieses Zusammentreffen bildet die Ouvertüre von „Convoy“. Lyle schrieb einst Duck den ersten Strafzettel. Zwei Dinge haben sie gemeinsam: sie haben sich keiner Gewerkschaft angeschlossen, da sie ihre Freiheit schätzen, und: „There ain’t many of us left“. Harte Burschen der alten Schule. Peckinpah in Reinform.

Wenig später treffen das Trio und der Cop in einem Truckstop erneut aufeinander. Eine Situation, die schnell eskaliert und in einer minutenlangen, filmisch fabelhaft inszenierten Schlägerei voller herrlich alberner Slowmotion-Shots endet. Im Anschluss begibt sich eine Gruppe von Truckern mit ihren mächtigen LKWs auf die Straße, um der Verhaftung zu entgehen. Mit dabei auf dem Beifahrersitz von Rubberduck ist eine junge urbane Fotografin, die zwar eigentlich zu einem Job nach Dallas müsste, aber im Laufe der Zeit auch der Faszination des Highways als Freiheitsideal zu erliegen scheint. Das Ziel ist die Bundesstaatsgrenze nach New Mexico. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Sheriff Lyle konfisziert kurzerhand den Sportwagen eines kiffenden Jugendlichen und nimmt die Verfolgung auf.

Bei der neuen Weltkino-Veröffentlichung von „Convoy“ strahlen die satten Farben und geben dem visuell packende Roadmovie die richtige Stimmung. Doch der wahre Schatz dieser Blu-ray ist die Dokumentation „Passion & Poesie - Sams Trucker Film“, bei der einige der Beteiligten zu Wort kommen. „It was like organizing D-day“, kommentiert darin Kris Kristofferson die Dreharbeiten und spricht von einem logistischen Alptraum. Einige ungeplante Unfälle haben es demnach in den Film geschafft. Man habe zudem versucht, ein bedeutungsloses Skript in etwas Gutes zu verwandeln. Noch deutlicher wird Ali Mac Graw: „I felt like I was standing on the Titanic“. Die Schauspielerin wurde mehrfach das Opfer von Peckinpahs Wutausbrüchen, betont jedoch ebenfalls dessen Ausnahmetalent.

Ernest Borgnine gibt zu Protokoll, während des ersten Monats am Set hauptsächlich mit seinem Stunt Double Karten gespielt zu haben, da er in den meisten Szenen nicht gebraucht wurde. Peckinpah überzog den Zeitplan massiv, hielt sich tagelang an einzelnen Einstellungen auf, was nicht wenige der Mitwirkenden auf den erhöhten Kokainkonsum des ohnehin starken Alkoholikers zurückführen.

Nach den Dreharbeiten erlitt Peckinpah einen Herzanfall, so dass „Convoy“ das letzte Regiewerk blieb, bevor er 1983 „Das Osterman Weekend“ drehte. Im Jahr darauf verstarb Sam Peckinpah im Alter von 59 Jahren.
Buzz 01/2019
Filmkritik - Convoy

Stil: Film
VÖ: 25.01.2019, Blu-ray, DVD, Weltkino (Link)





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