Cokie The Clown:
You're Welcome
Neun Jahre nachdem NOFX-Frontmann Mike sein Alter-Ego Cokie the Clown geschaffen und erstmalig mit einer schockierenden Show auf die Bühne gebracht hatte, gibt es nun nach einer fast einjährigen Aufnahmezeit sein Debüt-Album zu hören. Unterstützung bekam er dabei von Travis Barker (BLINK 128) an den Drums und Dizzy Reed (GUNS'N'ROSES) am Keyboard. Am meisten Mitarbeit leistete aber wohl der Franzose "Baz", der 2015 eine symphonische Cover Version von The Decline ablieferte, die Fat Mike so beeindruckte, dass er ihn für die Aufnahmen zu diesem Album einfliegen ließ. Er half ihm daraufhin bei den meisten Titeln an allen Instrumenten aus und darüber hinaus auch beim Schreiben der Stücke. Produziert wurde You're Welcome von Danny Lohner, der sich in der Vergangenheit schon für Bands wie NINE INCH NAILS verantwortlich zeigte. Mir war bereits im Vorfeld klar, dass das fertige Werk kein fröhliches sein wird, dass der vorab veröffentlichte Song Punkrock saved my Life dabei aber schon der am meisten an seiner Hauptband orientierte und nach vorne gehendste ist, hätte ich allerdings nicht erwartet. Wie naiv von mir!
Denn das, was ich nun hier vor mir liegen habe, ist musikalisch meilenweit von dem entfernt, was NOFX bisher gemacht haben und textlich durchgehend deprimierend, schockierend und zutiefst verstörend. Bleiben wir zunächst mal beim Musikalischen, hier ist von Punk oder Rock bis auf den bereits erwähnten einen Song nichts zu spüren. Größtenteils sind die Songs recht ruhig und dabei melancholisch gehalten. Fat Mikes Gesang wird dabei von Klavier bzw. Keyboard oder auch schon mal einer Geige begleitet. Eine etwas härter angeschlagene Gitarre, unterstützt von einem Schlagzeug und eine wirklich nachvollziehbare, klassische Songstruktur findet sich erst beim achten Stück Fuck You All. Bei Bathtub hört man z.B. die meiste Zeit nur Fat Mike extrem betrunken singen, wie die Presseinfo verrät steht er bei der Aufnahme dazu wohl in seiner Küche. Für das Album wurde die Gesangspur dann so übernommen, ohne sie nochmal weiter zu be- bzw. überarbeiten. Kommen wir nun zu den Texten. Schon bei NOFX nahm Fat Mike ja kein Blatt vor den Mund. Für sein Solo Album hat er sich wie er selbst sagt: "seine verdammte Haut abgeschält". So bekommt Mensch einen umfassenden Einblick in die dunklen Tiefen seiner Psyche. Schon beim ersten Song Bathtub stehen einem dabei die Nackenhaare zu Berge, wenn er davon erzählt wie er seine Frau mit einer Überdosis kopfüber in der Badewanne schwimmend findet. Im weiteren Verlauf sorgt er dann dafür, dass die Nackenhaare auch schön oben bleiben. So rechnet er in Fuck You all mit Freunden und Bekannten ab, berichtet von der durch ihn geleisteten Sterbehilfe bei seiner Mutter (That Time I Killed My mom) und rollt in Swing and a Miss nochmal die, wenn ich mich recht entsinne, auch in der lesenwerten NOFX Biografie The Hepatitis Bathtube vorkommende Geschichte vom Selbstmord eines Zimmergenossen und wie danach all seine Punk-Freunde das Zimmer des Toten ausräumten, auf. Außerdem verarbeitet er hier die gescheiterten Beziehungen zu seinen beiden Ex-Ehefrauen (Pre Arraigned Marriage), den Tod einer guten Freundin (The Queen is Dead), den Umgang seines Umfeldes mit seinen sexuellen Neigungen und Sexualpartnern (Fair Leather Friends), seine Persönlichkeitsstörungen (Negative Reel) und die Gechichte seiner verkorksten Jugend durch die von seinen Eltern begangene Vernachlässigung, die darin resultiert, dass seine Band seine einzig wirkliche Familie geworden ist (Punk Rock Saved My Life). All diese Horrorgeschichten sollen zu hundert Prozent der Wahrheit entsprechen, was das Ganze noch herzzerreißender und verstörender macht.
Fazit: dieses Album ist nicht dafür gedacht, beim Hörer viel Begeisterung und Euphorie hervor zu rufen und wird wohl den meisten nicht wirklich zusagen. Das soll es laut Fat Mike auch gar nicht, es sei für ihn okay mit You're Welcome auch ein paar Freundschaften zu zerstören. Betrachtet man es als das Kunstwerk was es ist, ist es an Glaubwürdigkeit und Intensität, gerade textlich kaum zu übertreffen. Auch ich werde das Album wohl nicht all zu oft auflegen, dafür eignet es sich a) überhaupt nicht als Hintergrundmusik und b) zieht es zu sehr runter als dass es in die meisten Lebenslagen passt. Trotzdem wird es einen festen Platz in meiner Plattensammlung finden, da es für sich genommen ein, wenn auch deprimierendes, trotzdem wirklich beeindruckendes Machwerk ist, das wie ich finde, für jeden NOFX- und Fat-Mike-Fan, zu denen ich mich auch zähle, unverzichtbar ist.