Thees Uhlmann:
Junkies und Scientologen
Nach mehreren Hördurchgängen wage ich mich endlich an die Rezension des mittlerweile 3. Soloalbums von Thees Uhlmann. Ich bin ganz froh, keinen Schnellschuss geliefert zu haben, denn "Junkies und Scientologen" wird von Hördurchgang zu Hördurchgang besser. Das ist bei mir aber kein so verkrampftes Schönhören, sondern ich hatte jetzt durchaus Bock, das Album ein paar Mal zu hören, weil es von vornherein gefiel, aber die großen Hits noch nicht erkennbar waren.
Naja, zugegeben, die Deutsch-Pop-Revolution gelingt Thees Uhlmann mit diesem Album auch nicht, dafür hat man seinen Stil, mit dem er es sich spätestens seit dem letzten Tomte-Album "Heureka" gemütlich gemacht hat, schon zu oft gehört, jedoch selten besser. Soll heißen: "Junkies und Scientologen" ist ein ziemlich starkes Album, aber deshalb, wie es einige einschlägige Musikzeitschriften tun, hier von einem deutschen Bruce Springsteen zu sprechen, geht zu weit.
12 Lieder - kein einziger Totalausfall. Im Gegenteil, "Danke für die Angst" (eine Hommage an Stephen King), "Avicii" (geilste Textzeile des Albums: "Elektronische Musik kann man sich so selten schön trinken") und "Immer wenn ich an dich denke, stirbt etwas in mir" (so mag ich Thees Uhlmann am liebsten: Leicht depressiv, aber auch ein bisschen versoffen) gehören schon zu seinen stärksten Liedern jemals. Doch auch "100.000 Songs" (tolle Melodie), "Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach Hip Hop Videodrehs nach hause fährt" (großartiger Songtitel und schöne Kritik an der HipHop-Szene, ohne plump zu werden), "Junkies und Scientologen" (vielleicht etwas zu lang, aber mit Text, den man einfach gerne aufmerksam hört) und "Katy Grayson Perry" (super Idee, die beiden aufs Ghvc-Label einzuladen) sind wirklich gelungen.
Schwächere Songs gibt es auch ein paar: So brauch ich nicht den x-ten Song über eine Stadt ("Was wird aus Hannover") - das hat Uhlmann mit "New York", "Wie sieht's aus in Hamburg?" oder auch jüngst "Zerschmettert in Stücke" deutlich besser hingekriegt. Zwei Songs im letzten Drittel ("Ein Satellit sendet leise" und "Menschen ohne Angst wissen nicht, wie man singt") zünden bei mir noch nicht wirklich. Noch. Ich denke, das kommt sicherlich noch. Dafür hat "Die Welt ist unser Feld" ein starkes Gitarren-Riff.
Nur gelegentlich nerven mich einige typisch Uhlmannschen Metaphern ein wenig ("Das Leben ist kein Highway, es ist die B73" aus "Fünf Jahre nicht gesungen"), da sie, subjektiv gesehen, etwas zu konstruiert daher kommen.
Unterm Strich bleibt aber ein wirklich gutes Album, vom Gefühl her sogar das beste Solo-Album bisher. Jetzt ist es nur noch spannend, ob Thees Uhlmann seinen Stil so weiterhin durchzieht oder ob da mal wieder irgendeine größere Neuerung kommt. Eine Mischung aus "Du weißt, was ich meine" und "Hinter all diesen Fenstern" wäre doch mal was. Wie dem auch sei, nach wie vor einer der besten Interpreten, die die deutschsprachige Popmusik zu bieten hat. Nicht ganz Höchstwertung, aber nah dran, ich sag mal 4 von 5 Bierdosen.