So so. Harte Zeiten und Kinderlieder. Ja ja, alles im Leben hat zwei Seiten. Oder: Et scheint nitt jeden Tach de Sonne.
Oder um den Worten des weisen Mike Ness die Worte des noch weiseren Walter Märzke aus Morsbach an der Sieg entgegenzusetzen: „Man muss ja nicht jeden Tag betrunken sein. Aber jeder zweite könnte es schon sein.“
Das Cover ist vorsätzlich ultra – oldschoolig klar gemacht, ich würde sagen fast schon witzig. Ob der sich das selber ausgedacht hat? Wer weiß.
Spannung steigt. Die Erwartungen sind weit über den Wolken.
Erstes Stück Road Zombie. Der Sound ist gewohnt Matschgitarre und leicht glatt gemischte Proberaumaufnahme. Wie immer schön professionell und durch Erfahrung auf sympathisch getrimmt. Nach zehn Sekunden hat man sich prima dran gewöhnt.
Nettes Melodiechen ewig platt gewalzt. Aha. Ein Instrumental. Mit seiner Stimme lässt er sich Zeit. Geschenkt.
Zweites Stück: Jetzt aber. Dä dä dä dätt. Oh Gott! So klingt es wenn Claus in den Proberaum kommt und sich wieder einen Witz ausgedacht hat mit Standard-Blues als Untermalung. Harte Nummer. Und unfassbar unspektakulär. Mir geht es direkt durch den Kopf: DAS werden alle hassen die sich eine eins zu eins Fortsetzung von White Light und Sex Love erhoffen!
Also müsste ich dazu gehören. Aber komisch: Ich finde das schön angenehm unaufdringlich. Völlig entspannt. Und einem fast 50jährigen Mike Ness auch Alters entsprechend.
Umgekehrt hätte er auch einen auf Straßenkämpfer und wilden 18jährigen machen können. Das wäre unglaubwürdig und peinlich geworden. So weit der philosophische Ansatz.
Drei: Da schimmert ein Hit durch. Einer der Sorte die man sich durch ewiges anhören schön hören muss. Komisch: Ich mag das! Echt! Komisch. Wahrscheinlich bin ich schon zu alt. Naja, mir wachsen ja auch schon Oppa-Zehnägel.
Viertes Stück: Diamonds in the rough. Ich kann mir nicht helfen: Ich finde das ein bisschen geil! Wieder eine an die Sechziger angelehnte Ballade, irgendwie auf schön getrimmt, aber mit einer dicken Dreckschicht drüber. So halb Social Distortion und halb Mike-Ness-spielt-worauf-er-zufällig-Bock-hat-Nummer.
Mir fällt in dem Zusammenhang ein: Kid Rock hat ja jetzt auch ein Album gemacht mit nur Bluesrock, nur weil er darauf Bock hat. Völlig entgegen jeder Kommerz-Vernunft! Respekt!
Und so ein bisschen schimmert das hier auch durch. Schwer zu sagen ob gewollt oder nicht.
Fünftes Stück, Machine Gun Blues. Für die Verhältnisse dieser Platte ein schnelles Stück. Im Vergleich zu anderen Standard-Punkrock-Platten ein lahmer Witz. Aber auch hier: Nennt man das mal Atmosphäre (hui), dann passt das wunderbar zum Text. Da legt er scheinbar im Detail Wert drauf!
Sechs, Bakersfield. Und es wird tat-säch-lich NOCH langsamer! Ey, DAS darf man sich aber auch nur als Social Distortion erlauben! Halbe Platte rum und musikalisch plätschern sich ein paar alte Männer ein paar Standard Kaugummi-kau und Hammond-Orgel-Stücke vor die Füße.
Wie immer: Will man sich drauf einlassen (furchtbare Phrase) macht das richtig Spaß! Also bei mir kommt das jedenfalls an, ich kann das genießen! Hat aber wie gesagt nicht viel mit den zwei Platten vorher zu tun.
Aber nebenbei finde ich das sehr angenehm, dass er hier nicht versucht penetrant auf seinem Image rum zu reiten, sondern was anderes macht!
Ein anderer Vergleich: Judas Priest hätten nach Painkiller immer nur eine Neuauflage von Painkiller rausbringen dürfen! Wäre geil gewesen! Hätte ich mir gewünscht! Und die Metalwelt auch!
Haben sie aber nicht gemacht! Rob Halforf dazu: „Wenn ihr Painkiller hören wollt, dann legt doch Painkiller auf.“ Hat ja auch Recht. Der Rob. Aber dann hätte das neue Zeug von Judas Priest aber wenigstens anders geil sein sollen. War aber kacke. Dann geht die Rechnung natürlich nicht auf. Schlaubi Schlaubär hat gesprochen!
Hier bei Hard Times find ich klappt das aber schon! Obwohl ich jetzt schon die Diskussionen darüber nicht hören kann. Würd ich das nicht zufällig geil finden würd ich auch Tag und Nacht darüber motzen, ganz klarer Fall.
Far Side of Nowhere, siebtes Stück der Hard Times, Trucker Blues zum Stiefel mitwippen. Cocktail aus Truck Stop, Schuss 60er, sehr alte Social Distortion Platten und Mike Ness. Na. Kann man machen.
Oder um die alten Worte zu bemühen: Ich glaube, die Platte Hard Times and Nursery Rhymes würde einfach kein Schwein interessieren, geschweige denn kaufen, wenn da nicht dieser Name drauf stehen würde!
Würde schwürde popürde.
Alone and forsaken, Stück acht. Auch hier nur ganz wenig White Light/Sex Love – Feeling. Dafür eher Richtung ganz alte SD. Aber mit derselben Lässigkeit der gesamten Hard Times-Platte hier. Da werden die Vorwürfe hageln von wegen „Einfallslos“, „Langweilig“, „Schrott“, ich hör es jetzt schon (vor meinem geistigen Auge wenn man so will!?).
Ich kann mir denken im Proberaum, und vielleicht auch live, klingt das schon was härter, mehr geradeaus und mehr so Pank. Auf Platte hat er scheinbar versucht sich genau das nicht mehr zusammenzumischen.
Neun, writing on the wall. Ballade. Fängt mit Klavier an. Wieder Herzschmerz mein-vergeudetes-Leben ich liebenswerter Kämpfer Rebell mit Traurigkeit im Herzen. Und der ganze Scheiß. Ach, ich finds zum Heulen schön! Ganz ehrlich: Ich finde das gut!
Das kann man auch ohne weiteres als „belanglose Scheiße“ betiteln. Ich halte das für einen unaufdringlichen Hit! Entspannt. Und ich finde es sogar witzig das die ganze Platte über nicht einmal versucht wird, irgendwas auf wild zu trimmen! Schon lustig! Coole Band, cooler Typ.
Geil!
Nummer zehn. Uptempo, Kopfnicker, dabei aber bloß nicht hetzen, Frauenchor, ziemlich cool, recht rotzig, mir gehen die Blues Brothers und Ford Fairlane Rock´n´Roll Detective durch den Kopf!?
Die Finger schnipsen automatisch mit. Wenn man dann gemein sein will: Wahrscheinlich weil man sich bis hierhin jetzt neun Stücke lang wach halten musste!
Wow! Dann noch ein Klavier-Part bing bing bing mit uh uh uh Chor. Holla die Waldfee! DAS macht man nicht um sich abfeiern zu lassen! DAS ist entweder ein Witz vom Profi oder der steht halt tatsächlich drauf! Ich befürchte fast zweites. Aber soll sein gutes Recht sein, manno.
Elf. Still Alive. Das hat jetzt wieder wehmütiges Blut wie Story of my life, mit straightem Standard-vier-Akkord-Scheiß drunter. Jetzt, nach dem dritten Durchgang mein persönlicher Favorit. Weil ich ja wie gesagt auch eine Fortsetzung der letzten beiden Platten haben will (scheiß Mainstream-Wichser!).
Textzeile: „I´m here to make a stand with a guitar in my hand!“ Todsichere Nummer um sich zum Löffel zu machen.
Aber allerdings nicht wenn man das schon dreißig Jahre lang macht! Oder wie lange macht der den Scheiß schon?
Platte Ende. Gibt wohl noch irgendwo Bonustracks. Immer dieser Kack! Will ich jetzt auch hören.
Gut. Was gibt man so einer Platte für eine Bewertung?
Standard-Erwartungen nur minimal erfüllt, mag allgemein gut oder schlecht sein, an dieser Platte werden sich die Geister scheiden (ebenfalls beschissene Phrase). Die werden Fans verlieren, ganz normal, und vielleicht welche gewinnen. Würde mich fast schon wundern wenn die neuen Fans Teenager wären! Die Platte ist eher was für die reifere Generation. Stimmt das so? Hm. Es sei denn die treten damit so ne Retrowelle los oder so ein Scheiß. Kann man sich dran tot spekulieren.
Ist vielleicht wie alles in der Welt mit Saufen zu erklären: Wer nur Bier und manchmal Schnaps säuft will auch immer Bier mit Schnaps. OK.
Wenn aber nun die Lieblingskneipe, also sagen wir mal Stefan und Martin aus der Milchbar, plötzlich einen Abend nur mit seltenen, teuren, rauchigen Sorten Whisky veranstaltet, und man das nicht wusste, aber nun eh schon mal da ist, dann kann man zwei Sachen machen.
Eins: Motzen. Woanders hingehen. Bier und Schnaps saufen.
Zwei: Mal probieren was das heißen soll, rauchige Sorte. Stefan und Martin sind Profis, irgendwas werden die sich schon dabei gedacht haben, auch wenn sich das einem für gewöhnlich erst nach dem zehnten Blick erschließt.
Ja, wie auch nach dem zweiten Zug an der Zigarette gewöhnt man sich vielleicht auch erst nach dem zweiten Schluck dran. Wer weiß.
Und dann, welch Wunder: Schmeckt geil.
Muss man ja ab jetzt nicht immer in sich rein schütten, aber wenn es die Situation von einem verlangt...
Bei Pflaumenschnaps habe ich auch abgewunken. Da hätte ich die scheiß Plaume fast wieder ausgekotzt. Ist dann meine persönliche Judas Priest Platte „Nostradamus“. Geht nicht. War nix.
Bei Hard Times and Nursery Rhymes bahnt sich bei mir fast schon ein zweiter Jägermeister-Frühling an. Irgendwie gut. Komisch, aber gut. Muss man jetzt einfach öfter mal probieren und gucken ob das was von Dauer ist. Bin gespannt.
Aber verständlich wenn die Platte vielleicht der persönliche Pflaumenschnaps von einem von euch ist!
Äh. Ja. Ist klar soweit.
Der alte Mike Ness scheint halt nicht mehr genau das schreiben und singen zu wollen was man gerne hätte, schade, dafür macht er ehrlich worauf er Bock hat, muss man ihm hoch anrechnen, ähnliches hat er ja schon vor Ewigkeiten gemacht, deswegen ist es nichts grundsätzlich anderes aber auch nicht genau das selbe, zum Glück könnte man sagen, aber unterm Strich zählt halt nur die Musik auf der Platte, und der gebe ich jetzt mal von zehn möglichen Punkten hoch sympathische, völlig positiv gemeinte und bis ins Mark tief entspannte sechs Punkte. Genau das, was er scheinbar auch haben will, falls ihm Bewertungen nicht mittlerweile völlig scheißegal sind, wovon man nun mal ausgehen muss.
So. Fertig.
Mein Gott, wattn Krampf. Aber das fällt mir so spontan nach den ersten Durchläufen ein. Und jetzt werde ich in die Küche gehen, denn da türmt sich das dreckige Geschirr bis an die Decke, und während ich klar Schiff mache werde ich die Platte nochmal hören! Wirf mir ruhig vor ich hab keine Ohren am Kopp. Hab ich nämlich doch. Zwei.
Kollege 01/2011
So. Nachtrag nach der Spül-Action: Ja. Das ist tatsächlich Spül-Musik. Mit ein bisschen Fahrstuhl drin. Aber ich steig eh nicht so gern Treppen. Und diese Comedy-Momente sind witzig. Ich musste jedenfalls lachen: „Ich frag mich wie ich in diese Situation kommen konnte. Und noch viel wichtiger: Wie komm ich da wieder raus?!“
Und das alles nur weil er in Bakersfield rum hängt. Das scheint da sowas wie Rheda-Wiedenbrück zu sein, oder Helmstedt oder Morsbach an der Sieg. Oder was weiß ich. Aber unter dem Deckmäntelchen dass er zurück zu seiner Liebsten will und Angst hat die Schlösser sind ausgetauscht wenn er nach Hause kommt. Ziemlich gut.
Ich glaub da muss man die Texte so ein bisschen mitnehmen um das gut zu finden.
Jetz aber echt Ende.
01. Road Zombie
02. California (Hustle And Flow)
03. Gimme The Sweet And Lowdown
04. Diamond In The Rough
05. Machine Gun Blues
06. Bakersfield
07. Far Side Of Nowhere
08. Alone And Forsaken
09. Writing On The Wall
10. Can't Take It With You
11. Still Alive
Vinyl Bonus: Take Care Of Yourself
Vinyl Bonus: I Won't Run No More