Zugegeben, Live-Alben braucht man selbst als ambitionierter Musiksammler nicht unbedingt regalmeterweise. „Live at Leeds“ von The Who und James Brown „Live at the Apollo“ sind Klassiker, die man besitzen könnte, und natürlich gehört Cheap Tricks live eingespielte Single „I want you to want me“ vom Album „Cheap Trick at Budokan“ in jede Sammlung. Leser dieses Magazins dürfen gern noch „I heard they suck live“ von NOFX und ganz frisch Turbostaats diesjähriges „Nachtbrot“ mit auf die Liste setzen. Als Wuppertaler schlägt mein Herz zudem für „Traumstadt“ von Hoelderlin, aber mit Krautrock fangen wir jetzt erst gar nicht an.
Was die ganze Vorrede soll? Sie soll untermauern, was für eine außergewöhnliche Erscheinung „A Road Record“ von
Tour Of Tours ist. Es finden sich auf dieser Doppel-LP tatsächlich nur Live-Aufnahmen, von denen ein großer Teil bei den Konzerten der letzten Tour (Of Tours...) entstand. Andere Stücke wiederum wurden beim Reisen von Club zu Club, in Duschkabinen und Garderobenräumen oder bei den Proben eingespielt. So ist dieses Live-Album wirklich mehr als nur der Querschnitt einer Reihe von Konzertmitschnitten. „A Road Record“, was für ein passender Titel.
Um wen es eigentlich geht? Bereits zum dritten Mal finden im Februar zehn Musiker zusammen, um als eine Art Folk-Rock-Über-Band ein mehrstündiges Spektakel auf einige ausgewählte Bühnen des Landes zu bringen. Es klingt romantisch und man mag es kaum glauben, aber tatsächlich verwirklicht sich bei der Tour Of Tours der Traum eines kreativen Ausflugs mit langjährigen Freunden.
Fünf Acts bilden den Kern dieses Mammut-Projekts: Honig, Town Of Saints, Tim Neuhaus, Ian Fisher und Jonas David. Namen, die man Besuchern von Festivals wie Haldern Pop oder Appletree Garden nicht lange erklären muss. Allen anderen sei gesagt: es wird gern mehrstimmig gesungen, Akustikgitarren spielen eine Rolle und im Fachhandel wird diese Platte wahrscheinlich unter „Indie“ eingeordnet.
Die Produktion von „A Road Record“ wurde per Crowdfunding finanziert, was den Eindruck noch weiter verstärkt, dass es sich bei diesem Tonträger um ein perfektes Abbild der Band und ihrer Grundidee handelt: hier geht es um Gemeinschaft.
Doch auch, wenn einem auf der Suche nach dem nächsten Lieblingsalbum die ganze Geschichte hinter der Platte völlig egal ist, könnte man hier fündig werden. Immerhin erhält man den gebündelten Output zahlreicher talentierter Songwriter, Sänger und Multiinstrumentalisten. Wirklich jeder der Beteiligten darf mindestens ein eigenes Lied beisteuern, was „A Road Record“ sehr facettenreich macht. Intime, akustische Momentaufnahmen stehen dabei neben Konzertaufnahmen, die erstaunlich voll und dynamisch klingen.
Ein Live-Album, das sich wirklich lohnt. Wer hätte das gedacht?!