Guerilla Poubelle:
L'ennui
Eine echte Perle kommt dieses Jahr aus Paris, die sich ganz weit oben bei mir einreihen wird.
Der Plattentitel L´ennui (= Langeweile) mit dem tristen Cover wirkt dabei wie ein Oxymoron gegenüber dem Sound, den man dann wiederfindet. Der ist aggressiv, melodisch, abwechslungsreich und wirkt irgendwie vertraut dass man, ohne dem Französisch mächtig zu sein, die Sing-alongs mitgrölt.
Und die Texte der DIY-Punks sind hochpolitisch. Hier hatte ich es schwer, Worte für das Review zu finden. Meine 4 Jahre Schulfranzösisch inklusive einer durchaus minderwertigen Sprach-Lehrerin (Grüße, die anderen Fächer hat sie ja beherrscht) reichen grad so, beim Lesen der Texte halbwegs die Inhalte zu erkennen. Schön daher, dass die Band ihre Texte auf der Homepage als auch bei Bandcamp zusätzlich in "englisch" erklärt.
Ein wiederkehrendes Thema ist der Neoliberalismus um Macron. Und irgendwie hat es etwas Ironisches, dass gerade die neoliberal geprägten Gesundheitssysteme den reichen westlichen Staaten im Zuge von Covid19 um die Ohren fliegen. Weitere Themen sind u.a. der Klassismus, Konsumkritik, Genderklischees und andere "Auswüchse einer kranken Gesellschaft". Geht man ins Detail, hat man es mit einer Ansammlung von Vergleichen und Metaphern zu tun. So wird beispielsweise Albert Camus, die Bibel oder die Pariser Kommune für Zustände der Gegenwart fast philosophisch herangezogen.
Dass die Songs mal schnell zwischen 2 Konzerten in Montreal aufgenommen wurden, mag man kaum glauben. Die 3 beherrschen ihr Equipment und mich überzeugt auch das rotzige Französisch. Wenn jetzt aus gegebenem Anlass alle Bands so viel "Langeweile" haben wie GUERILLA POUBELLE, werden demnächst großartige Scheiben nur so aus dem Boden sprießen.
Anspieltipps: Der Hardcorepunker soll in "Qui perd perd" reinhören, wer nen NOFX-Riff hören will "La bataille de Paris", die ruhigen Momente kommen bei "La Chute" und "Entre Booba et Balkany" zum Vorschein, der Streetpunker hat dennoch am meisten Spass bei der Platte mit meinem persönlichen Favorit: "Passer l'arme à droite".