Madsen nehmen ein Punkalbum auf. Allein die Meldung macht skeptisch. Wie viele Popbands haben bereits behauptet, jetzt Punkrock zu machen und raus kam halt wieder ein Popalbum? Ein Blick in das Presseschreiben macht den Eindruck nicht besser. 23x wird das Wort "Punk" verwendet und das Schriftstück im Allgemeinen wirkt einfach klischeehaft und anbiedernd (Vom Hören der ersten Ramones-Platte bis zum Abfeiern der Attitüde wird wirklich keine Phrase ausgelassen).
Jetzt kommt der dramatische Wendepunkt dieser Rezension: Na gut dann nicht (dass zwischen "gut" und "dann" kein Komma steht, ist von der Band so gewollt, da auch die Missachtung von sprachlichen Regelungen voll Punk ist) ist ein wirklich starkes Album geworden und Paradebeispiel, dass gewisses Marketing (zumindest bei mir) einen sehr negativ vorbeeinflussen kann. Hätte man die Scheibe einfach ohne große Selbsterklärung rausgerotzt, wäre der Überraschungs- Aha- bzw. "Alter, das ist saucool"-Effekt doch deutlicher ausgefallen.
Bereits der Opener und Titeltrack überzeugt vollends: Die Instrumentierung ist straight, die Melodie geht beim ersten Hören ins Ohr, der Text ist angepisst und ich nehme es der Band auch ab, dass sie es in gewisser Weise ist. Das wirkt alles authentisch, vor allem, weil der Sänger nicht, wie ich es nach der Lektüre des Presseschreibens befürchtet hätte, versucht möglichst zu brüllen, sodass es dann wieder lächerlich wirkt. Wirklich starker Song.
Es geht noch besser weiter: "Herzstillstand" ist für mich der Hit der Platte. Madsen schaffen es, dass sich der Hörer denkt: Gleich ist es soweit, ich muss mich fremdschämen, vor allem als wirklich "Für immer Punk" von den Goldenen Zitronen zitiert wird. Durch geschickte Textvariationen schafft Madsen es aber letztendlich, dass man lachen muss. So geht das!
Die zweite Single "Quarantäne für immer" knüppelt wieder geil nach vorne, es kommt sogar ein Rülpser vor. Hit!
"Auf deinem Balkon" geht dann etwas vom Gas, macht aber nix. Vielleicht bisher die Madsen-typischste Nummer, aber so gefällt mir die Band einfach. Nicht kitschig wie "Astronaut" und Konsorten, sondern schöner, melodiöser Indie-Punkpop, wie ihn die Band einfach beherrscht.
Zwischenfazit: Vier von 13 Liedern vorbei, alle geil! Ich bin schon jetzt überzeugt.
Ich könnte jetzt weiter über jedes Lied separat schreiben, fasse aber mal die Songs fünf bis elf zusammen: Hier kann das wirklich überragende Niveau der ersten vier meiner Ansicht nach nicht mehr ganz gehalten werden, aber es sind allesamt auch wieder gute Songs: "Scheiße zu Gold" hat beispielsweise einen wirklich tollen zweistimmigen Gesang im Refrain, "Alte weise Männer" und "Supergau" kann man vielleicht sogar als Hardcore-Pop (gibt es das!?) bezeichnen, "Wenn du am Boden liegst" wirkt beim ersten Hördurchgang etwas sehr gewollt, weil direkt, und ohne jeglichen Einsatz von Ironie oder Originalität im Text, aber genau das gefällt mir dann doch wieder gut, da sich Madsen hiermit ganz klar politisch positioniert. Stark!
Der vorletzte Song "Wir nennen dich Mücke" ist dann nochmal ein ganz großer Ohrwurm! Eine Ode an Madsens Tour-Gitarristen Martin Krüssel! Das will ich live hören. Generell werde ich mir Madsen nach diesem Album sicher mal wieder live geben. Weil "Na gut dann nicht" einfach verdammt gut ist.
Nach dem Outro "Na gut" steht fest: Lässt man nur das Album für sich sprechen, ist diese Scheibe ein Knaller! Ich mag Melodien, ich mag poppigen Punkrock, ich mag die Mischung aus Sparwitz-Humor und konkreten Ansagen. Ich kann das hier ohne wenn und aber bedingungslos empfehlen. Wirklich eine der positivsten Überraschungen des Jahres!
01. Na gut dann nicht
02. Herzstillstand
03. Quarantäne für immer
04. Auf deinem Balkon
05. Supergau
06. Protest ist cool aber anstrengend
07. Scheiße zu Gold
08. Alte weiße Männer
09. Behalte deine Meinung
10. Trash TV
11. Wenn Du am Boden liegst
12. Wir nennen Dich Mücke
13. Na gut (Benjamin von Stuckrad-Barre)