Dass Audio88 und Yassin eine neue Platte rausgebracht haben, habe ich durch einen Artikel in der ZEIT erfahren: „Audio88 & Yassin ziehen 'die Grenze mit der Kettensäge', auch das ist ein Slogan ihres neuen Albums. Natürlich sind sie als Rapper für Worte zuständig, nicht für Taten. Problematisch ist ihre Aneignung des Todeslistenbegriffs trotzdem.“
Der Autor betont wiederholt, dass die „Todesliste“ AUF JEDEN FALL nur metaphorisch gemeint ist, sonst könnte man so eine Platte ja auch nicht besprechen. Überhaupt, anscheinend meint er, dass man keine Todesliste führen, sondern lieber mit Nazis reden sollte. Und dass Audio88 und Yassin nur noch Hass, aber keinen Humor mehr auf dem Album verbreiten (Spoiler: stimmt nicht).
Rapper, die nicht mit Nazis reden wollen und die Gesamtzustände (Klima, Hanau, Q-Anon, Lübcke, Coronaleugner, Tote im Mittelmeer etc.) scheiße finden, finde ich erstmal richtig gut. Oder zumindest besser als unpolitischen Spaßpunk.
Also direkt die Platte bestellt und das ZEIT-Abo gekündigt. Kurz darauf erklingen die ersten Beats von Audio88 und Yassin in meinem Wohnzimmer. Schon beim ersten Hören gefällt mir „Todesliste“ enorm gut, die Mischung aus entspannten Kopfnickerbeats und intelligenten, misanthropischen Lyrics ist auf einen gute Art eingängig.
Eingeleitet wird das Album mit „Schlechtes Gewissen“, das die Bühne fulminant eröffnet und mit den ersten Takten die Stimmung des ganzen Albums vorgibt. Inhaltlich gibt es einen kurzen Rückblick auf die letzten vier Platten, seit denen sich nichts geändert hat.
Es folgt „Plus 1“, das laut ZEIT fragwürdig (und laut mir ziemlich gut) eine Todesliste abfeiert. Auch nach mehrmaligen Hören habe ich keine Ahnung, was es an einer Todesliste für Nazis zu kritisieren gibt?! Audio88 und Yassin schreiben konsequent auch all jene auf, die schweigen. Und Menschen mit Glitzer in der Fresse.
Weiter geht es mit alten Bekannten und „Freunden“, die Dreck sind („Manche Menschen können weg, sind sie Teil deines Lebens, gibst du ihnen damit Recht“); dem Ratschlag „Lauf“ als Reaktion auf die deutschen Normalzuständen („lustige Hunde auf Krawatte laden ein zum Stammtisch, doch das Freibier schmeckt nach Falle“) und einer Erinnerung an eine Jugend in „Cottbus“ voller Nazis und Wegschauer („wenn wieder Bücher brennen, kommt aus Sachsendorf die Fackel“).
Nach zwölf Stücken folgt schon das Outro mit „Ende in Sicht“, das vom Sound her versöhnlich bis gut gelaunt ist. Textlich bleibt es ironisch-depressiv, Yassin beschreibt seine innere Kündigung von dieser Welt und nimmt das absehbare Ende als Erlösung hin. Ich bin bei ihm.
Pro: Das Album ist eine konstant geballte Faust, das die aktuelle Normalität beschreibt und sie durch Audio88 und Yassins Mischung aus Ironie, Misanthropie und klarer Ansage erträglicher macht. Außerdem ist "Todesliste" die beste Platte des Jahres 2021 (hat mir meine Wahrsagerin bestätigt).
Kontra: Im Bundle kann man die Platte zusammen mit einem wirklich hässlichen Pullover kaufen.
(wer den ganzen ZEIT Artikel lesen will, hier ist er zu finden: https://www.zeit.de/kultur/musik/2021-02/audio88-yassin-rapduo-album-todesliste-berlin/komplettansicht)
1. Schlechtes Gewissen
2. Plus 1
3. Vater Mutter Kind
4. Freunde
5. Lauf
6. Kein Regen
7. WUP
8. Todi
9. Cottbus
10. Klingelton
11. Fließbandjob
12. Garten feat. Nura
13. Ende in Sicht