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Piefke:
Probleme

Gebrauchsanweisung für diese Rezi.

Ich weiß nicht wie konnte das gescheeeeeehn… aber sie ist irgendwie unplanmäßig sehr lang geworden. Deshalb dieser kleine Service:

Hast Du ganz viel Zeit? Dann lies alles!

Hast du Interesse an der Platte, willst aber (verständlicherweise) meinen Befindlichkeiten im Entstehungsprozess nicht beiwohnen müssen: Dann spring zu Rezi Teil I.

Bekommst du beim Wort Haptik Schnappatmung? Dann überspring alles bis zu Rezi Teil II!

Du hast gar keine Zeit, willst nur Daumen hoch oder runter (dann muss ich diesen Satz auch gar nicht richtig beenden:)? Gar kein Problem, scroll zum Fazit!

Prolog I

Es ist Sonntag, der erste gefühlte Frühlingstag, vor einer Woche war ich noch auf dem Eis, das Kind muss mal an die frische Luft, Zähne putzen, aus dem Schlafanzug raus, vielleicht hilft ja laute Musik, um etwas Schwung in den Tag zu bringen. Die Rezi hat zwar noch etwas Zeit, aber warum nicht jetzt das erste Mal in die neue Platte von Piefke rein hören. Vorerst hab ich nur den Downloadcode geschickt bekommen, aber das macht ja nix. Dann hat aber das Kabel vom Rechner zur Anlage einen Wackelkontakt und das Kind hat gar keine Bock auf diese Form der Animation. Boah: Warum klackt das so? Wieso hatet das Kind den Punk so ab und warum fällt der Lautsprecher immer wieder aus? Wie nervig! Probleme über Probleme und tolle Wurst denke ich und vertage die Betrachtung…

Prolog II

Tage später: Die Platte ist bei der Nachbar-WG abgegeben worden, nur scheinen die sich zu verstecken und das Ding abgreifen zu wollen. Immer wenn ich bimmel, ist es auf einmal verdächtig ruhig hinter der Tür. Am dritten Tag öffnet sie sich doch und es wird ganz wild im Flur nach meinem Paket gesucht. Zehn Minuten später, alle WG-Bewohner*innen haben fleißig beim Suchen geholfen, wird mir dann auch mit einem charmanten Lächeln die Platte entgegen gestreckt. Sogar noch verpackt...

Rezi Teil I (Optik/ Haptik)

Sieht schon mal schick aus. Hochhausfassade vorne und hinten im Comicstyle auf dem Cover und das Material ist nicht so Hochglanzpappe sondern hat eher Pappkartonhaptik. Leicht rau. Ich finde das sehr gut. Gerade dieser Aspekt, wie sich eine Platte anfühlt, ist bei Bierschinken ja sehr wichtig. Da sie bei diesem unaussprechlichen Label (Bakraufarfita) erscheint, ist von der Kenntnis zu diesem Insiderwissen auszugehen. Wollen die hier von anderen Dingen ablenken? Die Innenhülle ist dann aus dem gleichen Material. Nicht dieses weiße, labbrige Papierzeug, sondern dicker Karton, auf der einen Seite mit den Texten und der anderen mit gemalten Visitenkarten der Bandmitglieder und Abrisszettel zur Danksagung bedruckt. Und wieder so schön rau! Habe ich jemals eine Plattenhülle so oft gestreichelt? Ich erröte und höre mir die Scheibe endlich mal ohne Störungen, Knacken und infantilen Wutausbrüchen an!

Rezi Teil II (Musik)

Die Platte fängt mit dem Titel Probleme I an und 12 Lieder später wird der Tonträger mit Probleme II fast beendet. Ich mag solche Klammern. Inhaltlich werden beim Opener First World Problems aufgezählt, während zum Schluss wirkliche Probleme beispielhaft genannt werden. Der Bass wummert gut, die Gitarre ist dumpf - Yeah, geht gut los!

Satellitenstadt ist das Lied zum Cover. Als ehemaliges Marzahner Plattenkind finde ich die Aussage, dass jede*r dort für sich alleine ist und kaum eine*r lächelt, etwas verkürzt, bin mir aber auch bewusst, dass das ein Song und kein Stadtsoziologieseminar ist. Der Sound passt wunderbar zum Stahl/ Betonbild, welches hier gemalt wird. Und dieser Bass! Der blubbert so schön, während die Gitarre immer wieder gegenflimmert und zwischenzeitlich sogar Sirenensound abgibt.

Zu Schablone ist ein Video raus gebracht worden. Für mich eins der Lieder, wo die repetitive Struktur mich etwas nervt. Bei Kevin geht‘s mir ähnlich, aber nicht so dolle.

Beim Lied Inhumanität schrecke ich kurz auf: „Ein Virus macht sich breit“ tönt es aus meinen Kopfhörern. Ist er das, der erste Coronasong auf meinem Plattenteller? Nö! Es ist unsere Gleichgültigkeit gegenüber den Geschehnissen an den EU-Außengrenzen. In knapp einer Minute düster angeklagt. Guter Song!

Der böse Alte hat ein super Intro und fügt sich soundtechnisch lückenlos ins bisher Gehörte. Ich spüre förmlich, wie irgendwas Ekelhaftes aus den Hinterzimmern dieses Landes immer weiter an die Oberfläche gekrochen kommt und denke: Ich muss unbedingt meinen Antifa e.V. Mitgliedsausweis verlängern!

Nähe-Diskrepanz-Verhalten ist ein sehr interessantes Lied. Es entzieht sich meiner Meinung nach eindeutiger Interpretationen, welchen Standpunkt das vermutlich männliche lyrische Ich genau einnimmt, denn es ist irritiert. Irritiert darüber, das seine körperliche Präsenz bei anderen Bedrängnis auslöst. Es will das nicht, auch nicht, dass davon ausgegangen wird, dass es eine Bedrohung ist, kann dies aber auch nicht einfach weg definieren. Und es wird nicht geschafft, darüber ins Gespräch zu kommen. Also liebe männliche Mitmenschen: Nicht jammern und wundern, sondern mal bei betroffenen Menschen nachfragen, woran das liegen könnte, zuhören und Privilegien checken.

Ooo ohh! Gerade mal Seite A besprochen. Diese Rezi wird viel zu lang. Das liest doch keine Sau. Aber ich bin im flow. Mir doch egal! Vielleicht mach ich den TRUSTtrick: Schriftgröße 7, dann passt‘s schon. Also weiter mit Seite B plus dem Versuch, mich etwas kürzer zu fassen:

Stumpf. Ein Lied über Stumpfheit. S.T.U.M.P.F.

In Nachts um 3 wird das Ende einer Nacht besungen. 50 Sekunden, am Ende wird gerannt. Kennt jede*r.

Kein Gott knallt mega in den Kopf. So wie hier der Titel geschrien wird, kapieren es auch alle: Religion ist eure Privatangelegenheit und hat das auch zu bleiben. Also sülzt uns nicht voll! Das Konzept Gott ist euer Problem!

Unser aller Problem sind die AfD und die ganzen -GIDAableger. Demagogo widmet sich dieser Thematik. Wieder knackig und treibend und stetig sich steigernd.

Im Treppenhaus wartet mit schnuckeligen Backgroundchor auf. Sehr sweet. Und das Lied spricht mir aus dem Herzen. Ich und auch die oben genannte WG haben den Kampf um unser Haus verloren und werden mit den restlich verbliebenen in den nächsten Wochen ausziehen müssen. Dann kommt hier die Abrissbirne und ein schniekes Haus wird neugebaut. „OstX bleibt dreckig!“ war einmal. Und in Leipzig sieht‘s nicht besser aus. Nur der Grundannahme des Songs, dass in so einen Neubau niemand einziehen will und einziehen wird, würde ich widersprechen. Das geht hier Ruck Zuck, trotz der horrenden Mieten...

Und dann Probleme II und als Extraschmankerl: ein Bonustrack. Nur auf der Platte, nicht beim Download dabei. Das erste Mal, dass ein Song hier stilistisch und klanglich total ausbricht. Ab morgen wird gestorben ist nämlich ein Akustikstück zum Weltuntergang. Kann mensch machen!

Ich bin durch. Coolio. Dann mal hurtig zum Fazit:

Ich denke, dass ein Urteil, ob einem/einer diese Platte gefällt, ganz stark davon abhängt, wie mensch zur Singweise von Sänger Richard steht. Sie ist nicht zurückhaltend oder fügt sich irgendwie ein, sondern sie prägt jeden einzelnen Song. Damit wird Piefke aber auch unverwechselbar. Ich komm klar damit und bin entzückt von der Bass-/Gitarrenfraktion und möchte hier auch ein Lob an Max vom Glooven Studio Leipzig aussprechen, der bestimmt mitverantwortlich für den Klang der Scheibe ist. Dieser raue, angedüsterte Ton ist mein Highlight. Wer die Vorgängerplatte Menschenmühle mochte, wird auch Probleme mögen, ich finde sie sogar besser. Inhaltlich bewegen sich Piefke mit den Themen: Gentrifizierung (Satellitenstadt/ Treppenhaus) und Rechtsruck (Der böse Alte/ Demagogo) im aktuellen Zeitgeschehen und werfen auch einen Blick auf die eigene Szene (Schablone/NDV).

Inhumanität, Kein Gott und der Böse Alte sind meine Anspieltipps.

Die Platte gibt's zudem 250 mal in Bakraufarfita-Gelb, keine Ahnung wie grell das ist, mein Exemplar war klassisch schwarz.

Over und out!

heinzzweidrei 03/2021
Hörprobe:
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Piefke - Probleme

Stil: Punk, Deutschpunk
VÖ: 26.03.2021, LP, Bakraufarfita Records (Link)


Tracklist:

01. Probleme I
02. Satellitenstadt
03. Schablone
04. Inhumanität
05. Der böse Alte
06. Kevin
07. NDV
08. Stumpf
09. Nachts um 3
10. Kein Gott
11. Demagogo
12. Treppenhaus
13. Probleme II


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