Oi Gude,
um gleich zu Beginn meiner Bierschinkenkarriere den Klischees und Annehmlichkeiten meiner Wahlheimatstadt Frankfurt am Main zu frönen, habe ich mir für mein erstes Plattenreview einen Sampler rausgesucht, der es in sich hat rausgesucht. Bei ,,One City One Crew - United underground Scene of Frankfurt supporting FEINSTAUB and NEW BACKSTAGE“ handelt es sich nämlich nicht um eine x-beliebige Zusammenstellung von Bands aus der Mainmetropole, sondern um einen Solisampler, welcher dazu ins Leben gerufen wurde, zwei vor Ort ansässige Lokalitäten mit finanziellen Mitteln durch die Coronakrise zu geleiten. So selbstverständlich waren Finanzspritzen für Kneipiers während den letzten Monaten nämlich nicht und nicht wenige der eh schon rar gesäten Locations of Subculture dürften diese Zeit zu aller Missfallen nicht überlebt haben. Die Kombination ,,Punkrock hören“ und dabei ,,was gutes tun“ bleibt brandaktuell – also: den Plattenteller anmachen und Apfelwein einschenken. Bevor ich jedoch Hals über Kopf in die Materie gehe, möchte ich schnell noch ein paar Worte zu den beiden Etablissements verlieren, denn das ,,Feinstaub“ und das ,,New Backstage“ sind stadtintern als einschlägige Szenebars bekannt. Gelegen im Frankfurter Nordend, zwischen Friedberger Landstraße und Rothschildallee, sind beide feste Größen innerhalb eines Stadtteils, welches bereits von Biomarktyuppies übernommen wurde, noch bevor der erste Mensch in Friedrichshain wusste, was Gentrifizierung eigentlich sein soll. Dennoch schätze besonders ich (der ich das dortige Wohnortprivileg für zwei Jahre inne hatte) das Frankfurter Nordend als faszinierenden Altbaukiez, der mit seinen Kneipen und Trinkhallen das entspannte Äquivalent zum doch recht prollig-ekligen Alt-Sachsenhausen darstellt. Das ,,Feinstaub“ brilliert seit 2005 mit allabendlicher DJ-Musik aus dem Rock- und Alternativebereich, wobei die Menschen da hinter dem Pult wirklich noch selbst die Teller umlegen. Neben der wohl besten Tapete Frankfurts (im Raucherbereich) und seinem netten Außenbereich, veranstaltet es alljährlich beim Museumsuferfest die ,,Feinstaub-Bühne“, wo sich direkt am Maingestade eine Punkrockband nach der anderen die Klinke in die Hand drückt. Das ,,New Backstage“ hat als alternative Eintracht-Fankneippe für viele Fußballfreunde mit gutem Musikgeschmack seinen Reiz, ich als Nicht-Eintracht-Fan schätze viel mehr den dortigen Handkäs. Bevor ich mich jedoch bei Handkäs festbabbel, kommen wir jetzt zum eigentlichen - der ,,Musik“!
Seinen Anfang macht der Sampler nämlich mit einem Brecher - ,,One World - One Crew“ von den über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Lokalmatadoren der Stage Bottles. Ich glaube, der antifaschistische Konsens und der gleichzeitige Name des Samplers sind hiermit bereits genügend erläutert: ,,Oho, Antifashists on the streets, Oho, one world - one Crew“. So nebenbei kommt mir die Frage auf, ob es denn nicht etwas unfair gegenüber den anderen Samplerbands ist, die Scheibe gleich mit so einer Hymne zu eröffnen, bin aber gleich durch die Bridge im Song ,,Man“ von The Cognitive Theres mitgerissen – Song zwei der Platte, melodisch zwar, aber mit einem treibenden Beat, so muss Punk! Der Song danach ist von ,,the Swipes“. Mir gefällt zwar der Gesang, das Instrumentelle bei diesem wirkt mir dahingegen etwas zu vollgestopft und dadurch etwas langatmig. Mehr Aktion bietet dafür der vierte Song der Platte: ,,Out of my Way“ von the Copy Cats. Die Bandmitglieder auf dem netten Bookletzettel scheinen mir an die 40 Lebensjahre zu gehen. Respekt an die Sängerin der Combo. Jene hat solch eine Power in der Stimme, als ob eine Dame mit Anfang 20 den Track einsingen würde. Jung vom Sound geblieben sind auch ,,Les Hyper Gaëlle“. Warum singen die eigentlich durchweg Französisch als Frankfurter Band? Egal! Hauptsache es macht was her (Erinnerung an mich – mehr französischen Punkrock ausfindig machen – so für die Zukunft). Die Jungs sind übrigens live auch jedem ans Herz zulegen! Zwar ist der hier vorliegende Song auf dem kirschroten Sampler-Vinyl nicht meine erste Wahl von den Herren… aber was solls. So richtig sozialkritisch wird die Scheibe erst mit ,,Flaschensammeln“ von ,,Endspurt“. Der Refrain wirkt mir im Gegensatz zu dem durchdachten Text des Liedes leider etwas zu abgedroschen. Es folgt ,,Set a fire“ von Rumble Deluxe. Das Wah-Wah-Pedal-Gedöns am Anfang nervt, der Song an sich schmeckt und mit ,,Riot-Soul“ gibt es am Ende der A-Seite ordentlich etwas zum shaken.
Seite B beginnt mit Revolte Tanzbein, die sich leider wie jede andere x-beliebige deutsche Ska-Punkband anhören und das trotz der Blasersätze, die etwas nach Balkanbrass arrangiert sind. Weiter geht’s mit den Liedern ,,Purgatory“ und ,,Dear Donald“, die zwar vom Inhalt politisch gut gemeint sind, aber weder musikalisch noch textlich etwas rausholen. Ordentlich auf die Fresse Skate-Hardcorepunk gibt’s erst mit Scheisse Minelli (Track 14 auf der Scheibe), einer meiner favorisierten Bands auf dem Sampler. 1:11 Minuten Geballer - reicht doch! Danach kann mich leider auf dem Sampler nichts mehr so richtig begeistern. Weder nett dahin gesponnener deutschsprachiger New Wave, noch der ein oder andere Wohoo-Chorus. Der Shanty-Punksong ,,Cast the Anchor“ am Ende ist jedoch ganz witzig, würde mir aber spätestens beim dritten Hörverlauf ordentlich auf die Hutschnur gehen. Die B-Seite ist definitiv die wesentlich schwächere Hälfte des Samplers. Die Platte gibt es für den Zwanni im Infoladen im Exzess in Bockenheim und im Internet zu erwerben.
01. STAGE BOTTLES - One world one crew
02. THE COGNITIVELY THERES - Man
03. THE SWIPES - Coming home
04. COPY CATS - Out of my way
05. LES HYPER GAËLLE - Jamais assez
06. ENDSPURT - Flaschen sammeln
07. RUMBLE DELUXE - Mudblood
08. THE SLAGS - Red 'n black
09. STRAIGHT A - This is riot soul
10. REVOLTE TANZBEIN - Ist das alles
11. SUICIDE OUTFIT - Purgatory
12. THE DISLIKES – Dear Donald
13. KING MOROI - Hate wheel
14. SCHEISSE MINNELLI - Too old
15. GRIM SOCIETY - Led by Serendipity
16. SPEEDCAKE - Next show in town
17. THE FULL LOVE EXPERIMENT - Du bist bereit
18. JOHNNY TORPEDO * ROCKIN' SHANTY SHOW- Cast the anchor