Ok, sie sind wieder da. Da ist eindeutig und unverkennbar. Kurz Luft holen, Gitarre pling pling und dann ab: Schlagzeug hämmert, Bass verzerrt, Gitarre post-punk-style mit latenter Zerre und Reverb und dann die beiden unverkennbaren Stimmen, die sich in der Regel kurz vorm Überschlag ergänzen wie Gras und Gummibärchen. So gesehen ist der Opener "Schockstarre" ein klassischer Lygo-Song, wie er auch auf dem Debut-Album hätte sein können. Keine Experimente steht irgendwo im Promotext (der überraschend gut ist) und ja, das stimmt, was das Songwriting angeht. Und dennoch ist es doch nicht so einfach. Mehr als je zuvor wirkt die Musik wütend, angepisst und dunkler. Und bei "Kein Fahrtwind" schiebt der prog-instrumental-c-part genügend Abwechslung rein, ohne den Hit-Faktor negativ zu beeindrucken. Oder sie gehen insgesamt einfach mal runter im Tempo - ich würde es nicht Ballade nennen, aber geil sowas zu machen. Und nebenbei wird toxische Männlichkeit angeprangert. Und das gehört auch zu der neuen Lygo-Platte - die Texte wirken politischer als bisher. Sie sind immer noch grüblerisch und befindlichkeitsorientiert, aber durchaus pfeifen sie ein neues Lied von den Dächern. Der erwähnte toxische Männlichkeit wird der Mittelfinger gezeigt und bei "Feuerzeug" steht es direkt unverkennbar in your face im Text: "Habe Angst vor Polizeigewalt" und sofort denke ich an den Mord von Oury Jalloh, der in Dessau in der Polizeizelle verbrannte und dessen Mord nie aufgeklärt und von der Justiz verschleppt wurde. Und auch den Klimawandel schreien die beiden Sänger in "Altersheim" an und sind zu recht gefrustet über die Ignoranz so vieler Menschen, die aber leider viel zu sagen haben. Wer möchte da nicht kotzen (By the way, schaut euch das Video zu "Altersheim" an und achtet auf den total süßen Fernseh-Moderator!). Gute Richtung und ich finde, es steht der Band total gut!
Auch neu ist, dass die Platte nicht vom Stamm-Produzenten Nico Vetter aufgenommen wurde, sondern dass Schlagzeuger Daniel sie selber im winzigen Proberaum aufgenommen und gemischt hat. Das ist ziemlich ziemlich fett geworden und der Sound und alles holt mich total ab. Aber überrascht auch nicht, hatte Daniel ja schon bei der wunderbaren Von Mises Demo Hand angelegt und die ist schon echt gut geworden.
Ich war - glaube ich - ein wenig Lygo-müde mit/nach dem letzten Album und auch wenn ich alle drei Typen mega lieb hab, lief deren Musik vor der Pause ein wenig an mir vorbei. Aber jetzt bin ich voll wieder dran/drin und denke nur: legts mir an die Vene und lasst uns in kleinen Schuppen wieder zusammen schwitzen und alkoholfreie Bier trinken. Schön, dass ihr wieder da seid!
01. Schockstarre
02. Kein Fahrtwind
03. Zusammen im Bett
04. Fight Club
05. Uwe, Erdgeschoss links
06. Auf deine Bitte
07. Warmes Bier & Kalter Kaffee
08. Feuerzeug
09. Kommentarspalte
10. Altersheim
11. Ufer
12. 13 Stunden Schlaf