Ouvertüre:
Was sagt es über Punk aus, wenn ein Mensch aus Langeweile während des Lockdowns, kombiniert mit Krankheit und fragwürdigen Challenges, ein „Deutschpunkalbum“ (so bezeichnet die Band es selbst) aufnimmt und das Ergebnis interessanter ist, als bei vielen Anderen, die das ernst meinen? Mein Antwortversuch darauf ist ambivalent und folgender…
Prolog:
Dieses Werk hat einen langen Vorlauf. Zuerst nahm Werner, der Gitarrist einer Rock-Alternativ-Band aus dem Raum Hannover, aus verschiedensten Gründen (oben genannt) die EP Okeye Songs schief gesungen auf. Prämisse dabei: Das Ganze sollte innerhalb einer Woche geschrieben, festgehalten und mit Lyrikvideos versehen worden sein. Dieser Prozess wird auch selbstreferenziell in dem Song Gulasch auf dem Herd verarbeitet. Eigentlich nur zwei lustige Ideen gehabt, immer die selben Riffs gespielt, bei zwei Liedern kein Bass am Start, nur jeden zweiten Ton getroffen etc. An dieser Stelle hätte ich mich auch keine Sekunde mit diesem Werk beschäftigt, wenn nicht als Nächstes das Ganze nochmal mit Gesangs- und Gitarrenunterstützung neu aufgenommen worden und die EP Okeye Songs okay gesungen herausgekommen wäre. Denn diese ist auf einmal großartig. Die Songs entfalten durch die Gesangsunterstützung der Sängerin Marit, verbunden mit dem schiefen Gesang von Werner, eine Schönheit, die mich echt mitreißt. Und auch wenn ich nur die Hälfte der lyrisch gemalten Bilder und Vergleiche verstehe (diese jungen Menschen, kopfschüttel), erschaffen die, die ich raffe, eine Stimmung in mir, die sich im Motto "Wir gegen den Rest der Welt!" manifestiert. Zudem ist auf der 2. EP ein zusätzlicher Song aufgenommen worden: Karl Dall hätte das so gewollt, ein tolles Lied!
Rezi
Hier ist die Geschichte aber noch nicht zu Ende. Aus mir unerklärlichen Gründen wurde aus der zweiten EP einige Zeit später ein Album gebastelt: Solides Mittelmaß. Und das ist das Teil, um das es hier eigentlich gehen soll…
Das Intro nimmt die Problemlage tatsächlich schon vorweg:
Komm, schreib es in deinen Blog [Anmerkung von mir: ist nicht mein Blog hier]
Es fehlt Dynamik in den Songs [Anmerkung von mir: stimmt, darauf komm ich gleich noch]
Als wär das nicht so gewollt
Komm auf mein Level du Honk [Anmerkung von mir: ich bin in der Honkarmee]
Die Form folgt halt der Funktion
Wir ziehen den Stiefel einfach durch [Anmerkung von mir: stimmt!]
Vielleicht wärst du bei Björk besser aufgehoben [Anmerkung von mir: Ich mag die Musik von Björk. Aber hey...]
Das Intro und Black Metal ist Krieg gefallen mir sehr gut. Sie sind ein guter Einstieg in das Album und auf Campinobashing fahr ich immer ab!
Campino führt den Ententanz
auf dem Schlagerfest an
Wer täglich nur robotten geht,
der hat sein Punkrock-Badge verwirkt
…
Zum Glück gibt es ja noch Claus Lüer,
der Punkrock rehabilitiert
Ich will ein Feature von dir
Hör bitte auf, mich zu ignorieren
So weit so gut. Aber mit den anderen „zusätzlichen“ Songs werde ich (noch) nicht warm. Was auf EP-Länge wunderbar funktionierte, zieht sich jetzt ein wenig. Das ewige Muster Wechselgesang und dann den Refrain gemeinsam gesungen, sowie das relativ ähnliche Midtempo im 4/4 Takt führen dazu, dass ich nicht mehr so eingesogen werde, die witzigen und anregenden Textstellen verpasse und aussteige. Und das hört sich jetzt negativer an, als es soll, denn die richtig coolen Songs sind ja immer noch vorhanden. Nur verschwinden sie ein wenig und das ist schade.
So lässt mich dieses Album etwas ratlos zurück: zum einen, weil die EP aus der das Ganze erwachsen ist, mir wirklich gut gefällt und zum anderen, weil mich der Entstehungsprozess des Werks beeindruckt, aber auch irgendwie provoziert. Da kommt jemand, macht in Kürze Lieder die mir gefallen und ich weiß gar nicht so richtig, wie und ob das Ganze ernst gemeint ist. Pascow, One Step Ahead, Inner Conflict, Todeskommando Atomsturm kann ich einordnen. Eisenpimmel, Kassierer ebenso. Aber hier - kein Plan! Und das ist spannend - Danke dafür!
Anspieltipps: Zweitstimme FDP, Karl Dall hätte es so gewollt, Ich find' Karate auch gut, Black Metal ist Krieg, Adorno gegen Jazz
Ach ja, da gab's ja noch die anfangs gestellte Frage, was uns das alles über den Punk verrät? Ach Kinders, wenn ich das wüsste...
01. Antagonistisches Intro
02. Black Metal ist Krieg
03. Papier mit Bildern drauf
04. Piss-Take
05. Adorno gegen Jazz
06. Oh, Freiheit
07. Remake oder Remaster 0
08. Ich find' Karate auch gut
09. Zweitstimme FDP
10. Dislike-Button
11. Karl Dall hätte es so gewollt
12. Zehn Barrel Pisse
13. 1920