Digital ist besser, sagen zumindest TOCOTRONIC und dass Streaming die Art des Musikhörens verändert, ist wohl keine große Neuigkeit. Früher bin ich zum Release-Termin des neuen Machwerks meiner Lieblingsband noch in den Plattenladen meines Vertrauens gepilgert, oder habe mich in den Musikabteilungen der großen Kaufhäuser durch stapelweise CDs gehört, um das gesparte Taschengeld auch richtig anzulegen. Zu Hause wurden die erstandenen Schätze dann gleich ehrfürchtig auf den Plattenteller gelegt oder ins CD-Fach geschoben und, mit dem Booklet in der Hand, so lange rauf und runter gespielt, bis ich alle Texte auswendig mitsingen konnte. Heute tippe ich auf mein smartes Telefon und habe zig Millionen Musiktitel zur Auswahl, wann ich will, wo ich will. Ich finde das sehr praktisch, aber umso mehr schätze ich es mittlerweile wieder, eine Plattencover in den Händen zu halten, die Nadel auf das Vinyl zu setzen und einfach nur zuzuhören. Nicht nur das Ritual des Zuhörens, auch der Sound auf "Quitter" versetzt mich kurz zurück in die 90er, wo ich als schlechtgelaunter und von Selbstzweifeln geplagter Teenager in meinem Zimmer vor der Stereoanlage gesessen und eine Mixcassette nach der anderen aufgenommen habe, immer passend zur jeweiligen Stimmung. Die WEAKENED FRIENDS wären mit Zeilen wie "everything is better when you're not around" oder "can I feel okay in my own skin? I just wanted to feel loved but never did" sicherlich auf dem ein oder anderen Tape gelandet. Das Album funktioniert allerdings auch für all jene, die das Erwachsenwerden schon hinter sich, ihren Platz in der Welt aber noch nicht so wirklich gefunden haben.
Die eindringlichen Vocals von Songschreiberin und Gitarristin Sonja Sturino sorgen für einen hohen Wiedererkennungswert, die meist emotionalen, manchmal mit einem ironischen Zwischenton unterfütterten Songs über Verlust, Überforderung oder das Hadern mit sich selbst gehen direkt ins Ohr und bleiben da auch tagelang in der Heavy Rotation, angefangen mit dem sanft beginnenden "Bargain Bin", das sich zu einer mitreißenden Hymne steigert, über das supereingängige "Tunnels" bis zu den letzten Klängen von "Point of interest". Einfach aufhören ist hier keine Option, "Quitter" wird noch einige Runden auf dem Plattenspieler drehen und ob nun analog oder digital, dieses feine Stück stimmungsvoller Indierock sei der Genreliebhaberin definitiv ans Herz gelegt.
Funfact am Rande: DINOSAUR JR. Mastermind J.Mascis scheint von den drei Musiker:innen aus Maine ebenfalls sehr angetan zu sein, zum Debütalbum "Common Blah" steuerte er ein Gitarrensolo bei. Absolut irrelevante Information an dieser Stelle, aber -hey- J.MASCIS, Leute!!
aintjustmusic () 15.12.2021 13:39 |
"für all jene, die das Erwachsenwerden schon hinter sich, ihren Platz in der Welt aber noch nicht so wirklich gefunden haben" Darf ich diesen Satz bitte einrahmen :-) ?!? Oder wie wär's damit als "Claim" für Bierschinken generell ;-) ? Und zur Band: Das komplette Album kenne ich zwar noch nicht, aber ich hatte sie zumindest schon mal mit in der Endauswahl für die Videoplaylists im September https://www.youtube.com/watch?v=ZevkADNUU3I und November https://www.youtube.com/watch?v=zCQdvnLabh4 - beim nächsten Mal kommen sie dann vermutlich auch mit rein ^^ |