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Alex Gräbeldinger:
Ein Poesiealbum namens Kotze

Jetzt ist schon wieder was passiert. Also, eigentlich ja nicht, handelt es sich hierbei doch in Wahrheit um nichts Neues, nur eine Sammlung bisheriger Bücher von Alex Gräbeldinger, aber fangen wir ganz vorne an, an dem Punkt, der so weit in der Vergangenheit liegt, dass er eigentlich für alle uninteressant ist.

Wie war das damals so, vor 2010? Irgendwann hörte ich von diesem Ox-Magazin, damals noch cool, aufregend, punkig, und als uncooler Punker erschien mir das als DIE Gelegenheit, mein schwaches Selbstwertgefühl etwas aufzupolieren, Stichwort Szenekredibilität. In Anbetracht der Tatsache, dass die Leute aus meinem Umfeld entweder das Ox schon kannten oder die besprochene Musik nicht hörten und daher nichts mit der Zeitschrift anfangen konnten, löste sich dieses Unterfangen schnell in Luft auf. Dennoch, das Abo besteht bis heute, aber ich schau seit Jahren leider kaum noch rein. Eine Sache landete mit schöner Regelmäßigkeit trotzdem auf dem Teller: Die Kolumnen von Alex Gräbeldinger. Nicht nur aufgrund des fantastischen Vornamens! Oft ertappte ich mich bei dem Gedanken "Boah, so viel gesoffen und gefickt wie der hätte ich auch gerne!", nur um diesen dann schnell mit einem "Naja, aber so geil ist sein Leben auch nicht, allein das ganze Geld für Taxifahrten und diese Technoschuppen immer!" wegzuwischen, aber diese Faszination, einer Person so oft beim Scheitern zuzuschauen, so viele unnötige Probleme selbst zu verursachen und so offen darüber zu berichten und uns daran teilhaben zu lassen, die ließ mich einfach nicht los.

Und weil diese Kolumnen nie so richtig verschwanden, freute ich mich Ende 2020 diebisch, dass ausgewählte Beiträge in Form des Hörbuchs namens Kotze dem einfachen Punk aus der Großstadt vor die Füße geworfen wurden, nur um dann schnell zu merken, dass ich anscheinend nicht der einzige war, der sich auch noch heute für die autobiografischen Ergüsse des ehemaligen Ox-Praktikanten interessiert. Soll heißen: Ausverkauft, noch bevor die 10110001101 meine DSL-Leitung in Richtung Onlineshop verlassen konnte. Und auch der Versuch, in der örtlichen Buchhandlung noch ein Exemplar zu erhaschen, war von wenig Erfolg gekrönt. Immerhin, das Bekotzte Feinrippunterhemd gab es noch als Taschenbuch (FORESHADOWING?!), aber die anderen Bände? Ebenso ausverkauft. Nicht beschaffbar. Scheiße. Aber positiv: Seitdem bin ich mit dem Alex bei Facebook befreundet, es war nicht alles schlecht 2020!

2021 war von wenig Spannung geprägt, sodass wir dieses Jahr gepflegt überspringen, bis 2022 dann genau das passiert ist, was Eingangs erwähnt wurde: Neuer Output mit bewährtem Inhalt, oder auch "Ein dicken Buch mit allem Drum und Dran und viel Kleinkrams", wie schon bei der Hörbuchvariante. Alle drei Bände einer Ausgabe, dazu Vorworte von den ewig gleichen Dudes aus guten Bands (Ollo von Pascow) oder beschissenen Bands (Jörkk von Love A), Herausgebern oder Autoren, Ehefrauen, Menschen in Allgemeinen, gemischt mit Literaturverzeichnissen, Interviews, Comic-Illustrationen von Aku!, abgerundet mit Stoffbeutel (Saufen ja, aber mit Buch!), Aufkleber, dies das, jenes, Buttons, Aufnäher, Pipapo. Stark!

Ein wesentlicher Vorteil dieses Schinkens an Buch ist, dass es lediglich nur so aussieht, als wäre es ein gut abgehangener Schinken aus dem Rauch, unter der Haube verbirgt sich aber jede Menge fast food, sodass das Buch schnell ausgelesen ist - nur Strecke machen zählt! - im Regal aber mächtig Eindruck schindet. Dafür ist es sehr unpraktisch für eine Bahnfahrt, sodass ich mich glücklich schätzen konnte, zumindest vom ersten Band noch die Taschenbuchausgabe zu besitzen.

Inhaltlich wurde über die Ergüsse von Alex bereits soviel geschrieben, dass es mühsam wäre, hier noch wirklich viel Neues in den Äther zu blasen. Stellt euch einfach vor, ihr schaut die Serie Curb your enthusiasm, die aber in einer deutschen Stadt in der Rheinruhrregion spielt; Bang Boom Bang meets Larry David. Ficken, Saufen, Dosenbier, Gewalt, Hass, Tragik, Freude, Fremdscham, Irrenhaus. Aber: Im Gegensatz zu Larry Davids Charakter immer mit genügend Selbstreflektion ausgestattet, um nicht erzürnt das Buch an die Wand zu werfen und zu rufen: "Was bist du denn bitte für ein proletiges Arschloch und feierst dich für deine Machoattitüde selbst ab?", dafür bekommt unser "Held" dann doch aufs Maul, sowohl verbal als auch körperlich. Ein Pendeln zwischen Mitgefühl und Abscheu, zwischen "Richtig so!" und "Mein Gott, Walter...".

Als Soundtrack zum Buch empfehle ich Supernichts, Knochenfabrik, Detlef und die Terrorgruppe, die (leider?) auch einen wichtiger Teil meiner Sozialisierung ausmachen: Musikalisch recht simpel, textlich irgendwie doch ganz treffend, gesegnet mit einer gesunden Abneigung der Menschheit gegenüber, ab und zu witzig und ganz oft peinliche Typen.

Ein Hoch auf den Fremdscham und die peinlichen Männer. Und den Jazz-Oi!

Alex Gräbeldinger - Ein Poesiealbum namens Kotze

Stil: Prosa
VÖ: 13.05.2022, Buch, Tante Guerilla


Tracklist:

1. Ein bekotztes Feinrippunterhemd ist der Dresscode zu meinem Lebensgefühl

2. Bald ist Weltuntergang, bitte weitersagen!

3. Verloren im Weltall, verwahrlost auf Erden


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