Nach circa zehn Hördurchgängen (davon nur einer angetrunken) fühle ich mich endlich in der Lage, ein paar Zeilen über das neue Knochenfabrik-Werk zu schreiben. Vorne weg: Ich habe mich mit ganz großen Erwartungen für diese Rezension angemeldet und diese haben sich leider nicht ganz erfüllt. Und ich tu mich persönlich immer schwer, Bands zu kritisieren, die ich musikalisch als auch persönlich sehr schätze. Andererseits will ich trotz dieser Aspekte auch nicht alles bedingungslos abfeiern, obwohl ich insgeheim etwas anderes denke. Soweit zum Vorwort, das vermutlich negativer rüber kommt, als es gemeint ist, denn es gibt Facetten dieser 8 Tracks, die mir wirklich gut gefallen:
1. Pluspunkt sind die Songlängen: Kürzester: 1:04 Minuten, längster: 1:39 Minuten. So muss das sein, da kommt nie Langeweile auf.
2. Pluspunkt sind die nach wie vor genialen Texte von Claus. Besonders hervorzuheben ist hier "Barbies Dreamhouse barrierefrei". Nur vordergründig ein Pipi-AA-Text, ist die hintergründige Botschaft eigentlich tieftraurig. Genau das hat mir bei Knochenfabrik immer am besten gefallen, diese obszön verpackte Melancholie bzw. Hoffnungslosigkeit, die man erst beim genauen Hinhören vernimmt.
Die Texte führen mich allerdings auch direkt zum 1. Minuspunkt. Denn ich bemerke diesbezüglich kaum mehr einen Unterschied zu Claus' anderer Band "Chefdenker". Die Lieder "Sixpack unboxing" und "Tatort" hören sich so an, als ob sie vom letzten Chefdenker-Album "Eigenuran" noch irgendwie übrig geblieben wären, handeln sie doch auch, wie nahezu alle Songs auf diesem, von Dosenbier. Das soll die großartigen Texte nicht schmälern, nur fehlt mir da etwas die Trennschärfe bzw. erschließt es sich mir nicht wirklich, warum es überhaupt noch nötig ist, beide Bands separat aufrecht zu erhalten.
Was mich wiederum zum 2. Minuspunkt führt: Auch musikalisch höre ich kaum mehr einen Unterschied zu Chefdenker. Der Großteil der Songs spielt sich im Midtempo-Bereich, bzw. für "normale" Punkrockverhältnisse gar in der langsamen Gangart, ab. Auch die Gitarren erinnern an die bereits mehrfach erwähnte andere Lüer-Band. Die einzige klare Ausnahme ist hier "Alle sind Punk", das mit hoher Geschwindigkeit direkt nach vorne donnert.
Ich hoffe, ich konnte hier in aller Kürze erläutern, warum die eingangs erwähnten großen Erwartungen nicht ganz erfüllt wurden. Vielleicht kann man es so zusammenfassen, dass ich Knochenfabrik erwartet und Chefdenker bekommen habe. Und wenn man mit diesem Gedanken im Hinterkopf an die Scheibe rangeht, dann passt das ja alles wieder. Oder man säuft einfach mehr vor dem Hören.
Insgesamt gibt es einen unbedingten und unverzichtbaren Anspieltipp: Barbies Dreamhouse barrierefrei.
01. Sixpack unboxing
02. Alle sind Punk
03. Tatort
04. Die dunkle Seite der Sonne
05. Barbies Dreamhouse barrierefrei
06. Erwachsenengefährdende Kinderhörspiele
07. Steuererklärung
08. Gurkenlift