Da ich zu jung bin, um die bedeutenden Phasen von Slime authentisch und live mitbekommen zu haben (während die ersten drei Alben veröffentlicht wurden, war ich noch nicht auf der Welt, in den frühen Neunzigern habe ich eher Blümchen und Scooter gehört), fühlte ich mich eigentlich geeignet, eine Rezension über "Zwei" zu schreiben, denn: Mir ist es einerseits komplett egal, wer da jetzt singt, da ich weder einen großen Bezug zu Dirk Jora habe, noch irgendwie großartige Befindlichkeiten bezüglich des neuen Sängers Tex Brasket. Ich finde sowohl ältere Alben (vor allem "Alle gegen alle" halte ich für großartig), als auch vereinzelt neuere Songs ("Sich fügen heißt lügen" hat mir echt gut gefallen, auch der Ansatz, Texte eines verstorbenen antifaschistischen Dichters zu vertonen, finde ich richtig originell) beachtlich. Ich bin mir durchaus bewusst, dass Slime Legendenstatus hat, vielleicht sogar DIE wichtigste Punkband aus Deutschland war. Dennoch muss ich ehrlich sagen, dass die Band für mich persönlich nie so wirklich wichtig war. Live habe ich sie ca. 5 Mal gesehen, war immer gut, von der kleinen Clubshow in Augsburg bis hin zum randvollen Zelt auf Wacken. Was ich mit dem ganzen Vorgeplänkel sagen möchte: Ich denke, ich kann sehr objektiv und ohne persönliche oder nostalgische Befindlichkeiten an dieses Album rangehen. So, nun aber mal zur Sache:
Mit den räudigen ersten drei Alben hat "Zwei" nicht mehr viel zu tun. Vielleicht ist am ehesten noch die vorab veröffentlichte Single, auf der Sänger Tex zumindest in den Strophen noch einigermaßen heiser brüllt, ein bisschen ähnlich. Wir hören hier jedoch tendenziell eher sehr sauber produzierten Poppunk. Ja, man könnte auch Deutschrock sagen. Wenn man nur flüchtig hinhört, könnten die Texte auch von den Onkelz sein. Exemplarisch kann hier "Heute nicht" dienen: Es geht ums "am Boden sein" und seinen Weg weiter zu gehen. Und auch wenn die Musik mal mehr ballert, wie zum Beispiel bei "Bester Freund" - auch die Herren aus Frankfurt haben schon Antidrogenhymnen im exakt gleichen Duktus geschrieben. Man betont später, man sei ein "Outlaw" und so weiter. Jetzt ist bei diesem Textvergleich aber unbedingt zu erwähnen, dass der neue Sänger wirklich einst auf der Straße lebte und das alles somit einen authentischen Beigeschmack bekommt. Ob Stephan Weidner, der Texter der Onkelz, auch einmal in solch prekären Verhältnissen lebte, weiß ich nicht. Ist ja jetzt auch egal, aber ich feiere die Texte irgendwie nicht so wirklich ab. In "Nix von Punkrock" wird wieder die ewig gleiche Frage thematisiert, was jetzt Punk ist und was nicht, "weil fickt euch alle" wird so oft wiederholt, dass es mich schon zu nerven beginnt. Generell ist kein Lied kürzer als drei Minuten, somit kommt "Zwei" mit stattlichen 16 Songs schon auf eine beachtliche Länge.
Jetzt aber genug genörgelt. Ich bin mir sicher, dass Slime mit diesem Werk kommerziellen Erfolg haben werden, und zwar größeren als jemals zuvor. Ja, das gönne ich der Band und zwar wirklich von ganzem Herzen. Denn es ist klar, dass wir es hier auf keinen Fall mit irgendeiner Grauzone-Scheiße zu tun haben, sondern mit einer Band, die korrekt ist. Alle 16 Lieder sind nach wenigen Hördurchgängen mitgrölbar und sichtlich für große Festivalbühnen sowie Stadien geschrieben. Das ist die gleiche Liga wie die Broilers. Der partiell eingesetzte Sprechgesang von Tex ergänzt diese Ausrichtung sehr gut, denn auch dieser ist im populären Rock/Popbereich momentan ein beliebtes Trademark - ich glaub, man sagt, Tex hat "Flow". "Zwei" wird live einfach ohne wenn und aber zünden und funktionieren und das ist gut so, weil es besser ist, dass eine Band wie "Slime" groß rauskommt, als eine Deutschrock-Combo der falschen Richtung. Diese Songs werden Fäuste in die Luft recken lassen und für Stadionchöre sorgen. Und Alex Schwers ist immer noch einer der besten und vielseitigsten Trommler, die es momentan so gibt.
Fazit: "Zwei" gefällt mir persönlich zwar nicht wirklich, paradoxerweise würde ich mich dennoch sehr für die Band freuen, wenn meine im vorigen Absatz aufgestellten Prognosen eintreten würden.
01. Komm schon klar
02. Heute Nicht
03. Nix Von Punkrock
04. Safari
05. Bester Freund
06. Taschenlampe
07. Mea Culpa
08. Outlaw
09. Sein wie die
10. Weil fickt euch alle
11. Weggefegt
12. Wut im Bauch
13. Auf die Jagd
14. Lieben muessen
15. Scheiss Beerdigung
16. Ebbe und Flut Zwei