Da ist es! Also fast. Für uns erstmal nur digital, weil als wir diese Zeilen beginnen, der allseits bekannte Stau in den Presswerken auch das Kommando aus München in den Wartemodus stellt. Und da Qualität (hüstl) Zeit braucht, erscheint das thermoplastische Polymer genau in dem Augenblick, wo diese Zeilen beendet werden. Das nenne ich Timing. Ich bin aufgeregt, wie immer bei Bands, die ich mag. Was, wenn das ganze voll der Bockmist ist und ich meinen Patch an der Gürteltasche nicht mehr überzeugend tragen kann? Wie machen das bloß Leute, die sich Bandnamen tätowieren lassen, ich würde bei jeder neuen Platte nen Nervenzusammenbruch bekommen. Zum Glück bin ich nicht allein, denn es herrscht reges Interesse am Rezigrabbeltisch. Gerdistan und Pineapple Paul sind mit an Bord- YEAH! Damit es hier nicht zu massigen Wiederholungen kommt, teilen wir uns die Lieder auf...
h*einz_zweidreI:
Lied eins (Dead Punks) setzt schon mal den richtigen Ton. Es geht sofort richtig flott los und Punk soll mal kacken gehen, um dann hoffentlich wieder, von unemanzipatorischen Ballast befreit, auf die Beine zu kommen:"Gestern war alles scheißegal, heut’ ist alles scheiße und nichts ist egal. Punk is dead. Punk is dead, but Punks are not" Bemerkenswert ist noch festzuhalten, dass mich das Gitarrensolo nicht aufregt, obwohl ich ein ausgesprochen angestrengtes Verhältnis zu dieser Ausdrucksform habe. Bestes Lied auf der Platte!
Pineapple Paul:
Nummer 2 (Seelenverkäuferin) strahlt stilistisch im selben Glanz wie es auch schon ältere TKAS-Songs taten, ohne dass sich ein "kennt-man-schon" Gefühl einstellt. Das Intro ganz klassisch mit ordentlich Tempo und ner Leadgitarre als Thema, die einfach im Ohr hängen bleibt. Inhaltlich geht es irgendwie um Systemkritik, ich muss aber gestehen, dass ich die Kernaussagen einfach nicht ganz verstanden habe. Da hilft nur selber hören, das macht bei diesem Album sowieso einen Riesenspaß! Stimmlich besonders am Ende einfach ne Wucht. Total geil.
Gerdistan:
Das dritte Lied wurde schon vorab veröffentlicht und beginnt mit dem Schlagabtausch von Rhythmus- und Sologitarre, bevor der Text einsetzt. Der Refrain bleibt sofort im Kopf, herrlich angepisst wie üblich. Inhaltlich beschäftigt sich das Lied mit Straßenschlachten in Brasilien - bin da jetzt nicht so tief drin in der Materie, um da Mehrdeutigkeiten zu erkennen, ist der "Tag des Feuers" in Brasilien ein bekanntes Datum? Ich werde das jetzt mal googlen, und schon wieder hat eine Punkband es geschafft, dass ich mich mit Missständen am anderen Ende der Welt auseinandersetze...
h*einz_zweidreI:
Tigerbalsam spricht allen mittelalten Punker*innen aus der Seele. "Abgestumpft oder abgefuckt, älter werden als Drahtseilakt". Wo sortieren Sie sich ein, werte Leser*innenschaft? Das Lied ist kurz und schmerzlos, knallt!
Gerdistan:
Endlosschleife. Ein Lied über soziale Medien bzw. das, was aus dem Internet geworden. Knüpft nahtlos da an, wo auf dem ersten TKAS-Album noch "Endlich Funkloch, endlich frei" gebrüllt wurde, nur dass es dieses Mal nicht um Datenschutz und 1984-Fantasien geht, sondern das hohle Angeben und Sich-gegenseitig-etwas-vormachen durch retuschierte Fotos und sorgsam ausgewählte Bildausschnitte einer pseudoheilen Welt. "Gefangen in der Endlosschleife, never-ending Click-Bait-Scheiße" - mal wieder mit dem Nagel auf den Kopf. Chapeau.
In "Nein" wird dieses kurze, unscheinbare Wort thematisiert. Mir wird nicht ganz klar, ob es hier um aufdringliche Männer oder unverbesserliche Querdenker geht, ist vermutlich auch egal. Man muss sich ja nicht immer die Mühe machen, mit Leuten zu diskutieren. Man kann auch einfach mal Nein sagen. Starker Song, würde ich gerne mal live erleben!
h*einz_zweidreI:
Kabul Calling sticht heraus. Es ist das langsamste Lied und betört durch seinen englischen, im Chor gesungenen Refrain. Ich bin gleich hin und weg. Es ist so melancholisch und transportiert somit auf exzellente Weise die Flucht/Trauma-Thematik. Bester Song auf der Platte!
Pineapple Paul:
Mit dem Verständnis ist es so ne Sache... Song 2 war inhaltlich für mich nicht ganz greifbar, der letzte Song vom Album (Über den Trugschluss...) bringt auch noch ne sprachliche Barriere mit. Gesungen wird in französischer Sprache. Meine erste und letzte Begegnung mit Punk auf französisch war, als ich mit ungefähr 12 Jahren die französischen Versionen einiger Toten Hosen Songs hörte. Und das war nix für mich.
Was TKAS hier aber abliefern, spielt in einer ganz anderen Liga! Von der Gemütlichkeit und der sanften, melodiösen Art des Französischen bleibt nicht mal ein Funke. Stattdessen wird brachial und kantig gebrüllt. Es klingt böse, gefährlich und wütend. Hier steckt richtig Energie drin und man bekommt als HörerIn direkt Bock auf ein Konzert. Hier passt alles. Für mich einer der stärksten Songs überhaupt!
Interessierte finden auf Bandcamp auch eine deutsche Übersetzung des Textes. Kennt man den Inhalt, wird der ganze Song gleich nochmal ne Nummer besser.
h*einz_zweidreI:
Bestes Lied auf der Platte!
Pineapple Paul:
Das war es schon wieder. Nach knapp 23 Minuten ist das ganze Album schon durchgehört. Langeweile? Fehlanzeige! Kein Schnickschnack, keine Festival-Mitgröl-Passagen, einfach ne Drittelstunde Punkrock. Dieses Album ist ein Highlight und sollte unbedingt (mehrmals) gehört werden.
h*einz_zweidreI:
Das was Pineapple Paul sagt!
01. Dead Punks
02. Seelenverkäuferin
03. Tag des Feuers
04. Tigerbalsam
05. Endlosschleife
06. Nein
07. Kabul Calling
08. Über den Trugschluss der feministischen Punkrockparty