Da ist sie also, die Plattenrezension von der neuen Scheibe der Leipziger Band „Kind Kaputt“. Für mich ist es die erste Rezi, für Donna, die mit mir zusammen daran werkelt, ist es das erste Mal, dass sie die Band hört. Es wird also spannend…Mich begleitet die Band bereits seit einiger Zeit. Grundsätzlich find ich sie sehr gut, mal sehen, was uns das neue Album so bieten kann.
Donnas erster Eindruck, den sie beim Hören des ersten Songs „Anfang und Ende“ bekommt, während ich dieses Intro schreibe, ist wie folgt: „Das Lied davor (wir sind mittlerweile bei Song 2, „Glücklich sein“) hat mich an Pascow erinnert.“ Ob das jetzt gut oder schlecht ist, sei mal dahin gestellt. Wer jedoch für Bierschinken schreibt, der wird es wohl als extrem lobpreisende positive Bewertung verstehen (müssen [zumindest im Bezug auf die alten Sachen]).
Bevor wir näher auf die Songs und das Album an sich eingehen, noch ein paar Worte zum Pressetext. Sowas habe ich selten lesen müssen…
Donna ihre Worte zum Pressetext: „Hartes Gesülze“. Zwar fällt ihr auch noch mehr dazu ein, allerdings geht es ja hier nicht um den Pressetext. Naja. Er hat auf jeden Fall meinen Horizont erweitert. Sind alle Pressetexte so? Ich hoffe nicht. Denn was ich lesen muss ist, ich sag’s mal so, ich echt zum kotz-, äh, ich meine zum kotzen. Da gibt es leider nichts zu beschönigen. Hätte ich den Pressetext gelesen, bevor ich die Band gekannt hätte, hätte ich sie mit 1 Stern bei Google bewertet. Dafür aber überzeugt das Album.
Das Album trägt den Titel „Morgen ist auch noch kein Tag“. Das kann finden wie man will, aber ich glaube es ist ein bisschen geflunkert. Das Cover sieht aus wie ein Screenshot aus einem Fahrschul-Übungsvideo. Donna merkt an, dass man auf der abgebildeten Schaukel gar nicht schaukeln kann. Wer es versucht, bekommt auf jeden Fall den Expresstermin bei der Hirnchirurgin. Wir schließen daraus: Die Band macht ihrem Namen alle Ehre.
Mittlerweile sind wir bei „Kenntnisstand“ (Song 4). Um Donna den Pressetext vorzulesen, habe ich die Musik leise gemacht und kann deshalb auch gar nix zu den Songs schreiben. Wir hören jeden nur ein Mal und bilden dann ein objektives Urteil (allerdings habe ich das Album schon vorher ca. 3 mal gehört, um es wirken zu lassen). Wir hören die letzten Sekunden des Songs und besprechen also jetzt Song Nummer 5, „Vergessen“.
Gitarrenintro. Clean. Donna fragt, was denn eigentlich vergessen wurde. Autotune-Gesang, gar nicht so verkehrt an dieser Stelle. An anderer Stelle im Album wird er aber nochmal richtig seltsam eingesetzt. Später mehr dazu. Könnte 10 bpm schneller sein. Vom Sound her cool. Ein unbekannter Fremder in der Bahn wünscht uns einen guten Morgen. Das ist zwar sehr beliebig, aber es passt zum Song. Das Ende geht in Richtung Post-Hardcore mit Screams. Das klingt mal ganz cool. Lyrisch ist es recht anspruchsvoll, für mich leider eine Spur zu sehr. Ich verstehe nicht, was die mir sagen wollen. Allerdings habe ich auch keinen Bachelor of Arts.
Song 6, „Stolpern“. Beim ersten Hören fand ich es schrecklich. Das Autotune-Intro ist mehr Sünde als der Teufel selbst. Donna dazu (ungefährer Wortlaut): sie scheinen gefallen zu wollen und picken sich aus jedem Genre was raus. Zielgruppe ca. 15-26 Jahre alt. Besungen wird „der Weltschmerz der Banalitäten.“
Puh.. harte Worte. Ich finds am Anfang zwar nicht so nice, allerdings ist das Ende ganz cool. Auch textlich versteh ich diesmal mehr, bzw. Kann es ganz gut einordnen. Zwischendurch kommen Casper-XOXO-Vibes auf. Gar nicht so verkehrt. Eigentlich sogar ganz cool. Aber warum Autotune? Der Kerl kann doch so gut singen.
Jetzt Song 7 „gut gemeint“. Etwa das Motto des Albums?
Zündet jetzt nicht sofort, aber die Gitarrenarbeit hat den typischen KIKA-Style (Kind Kaputt Style). Melodisch sehr eigen, aber find ich gut. Donna und ich sind uns einig, dass der Song mit der Zeit besser wird. Hat mit dem Anfang noch kaum was zu tun, was wir stabil finden. Sogar Screams sind wieder dabei.
Song 8 folgt. Er heißt „alles erreichen“. Ne gab es schon als Single vorab zu hören und ich fand ihn sehr gut. Deswegen hören wir den Song jetzt lauter und aufmerksamer. Ich bin gespannt auf Donnas Kommentare. Für mich der beste Song vom Album. Absoluter Banger mit ordentlichem Tempo und Groove. Schlägt ein ins typische KIKA-Muster. Wahrscheinlich der Song, der auch Fans des älteren Materials (wie mir) sofort zusagt. Ok, soviel vorab. Nochmal: Ich halte den Song für absolut geil und zeitgeistlich. In Richtung „Schwert schlucken“ vom ersten Album, aber textlich und von der Message her mit anderem Fokus. Unbedingte Hörempfehlung.
Im Refrain wird schön geschrien. Das sollten die öfter, eigentlich immer machen. Die Stimme vom Sänger ist nämlich klasse. Auch Songwriting können die insgesamt doch recht gut. Und texten auch. Die Bridge ist auch einfach ein Hörgenuss. Warum nicht mehr davon?
Donna fand den Song auch bisher am besten. Melodie und Text besonders. Sie lobt den eigenen Style der Band.
Song 9: „Nadel“. Im Vorfeld ist der mir auch positiv aufgefallen. ABER BITTE SCHREIT DOCH MEHR!!! Textlich auf jeden Fall ein weiterer Banger. Und auch das Songwriting insgesamt scheint sehr gelungen. Die Bridge besonders experimentell. Nix für Bands, die maximal bis 4 zählen können. Wie die das wohl live hinkriegen? Insgesamt etwas poppig. Donna nickt zustimmend. Könnt man mehr oder zumindest was anderes draus machen. Gegen Ende aber wieder diese geilen Gitarrenmelodien. Feier ich total ab. Für mich auf jeden Fall charakteristisches Kernelement der Band. Wer den Stil mag, mag das wahrscheinlich auch.
Noch 3 Songs. Kann die Ballade „CH2O“ an die vorherigen Songs anknüpfen?
Es ist der Song, der sich im Pressetext als gefühlvolle Ballade (oder so) anbiedert. Lustig: CH2O, auch bekannt als Formaldehyd, wird benutzt, um Leichen zu präparieren. Donna, die mal Medizin studiert hat, kennt sich also damit aus. Ihre Expertise äußert sie folgendermaßen: „Formaldehyd ist krebserregend“. Was bei toten Leichen auch völlig egal ist. Der Song allerdings zündet bei ihr nicht. Ich find ihn eigentlich ganz schön. Textlich finden wir ihn beide ganz gut, Donna stört sich aber am Radiosound. Aber irgendwo muss das Geld ja auch verdient werden (LOL, als würde man heutzutage mit Musik gutes Geld verdienen). Trotzdem: GUTER Song.
Apropos Geld verdienen: Kind kaputt wurden nach 2 Jahren einfach als Support von Marathonmann rausgeworfen. Sauerei. Interessierte können auf Instagram mehr dazu lesen. Auf jeden Fall eine große Sauerei.
Nur noch 2 Songs übrig. Der vorletzte heißt „Wartezimmer“. Geht wohl um Anthropologie und Menschen auf der Erde. Auch dieser Song hat wieder den typischen KIKA-Sound. Textlich verspielt. Insgesamt künstlerisch, aber mit Kunst hab ich nix am Hut. Meta Meta Meta. Ich mag es direkter, aber wer sich auf so Kunstkram und so einlassen kann, wird an diesem Song große Freude haben.
Und nun: Das große Finale. Der letzte Song. Titel, „In Frieden“. Gesanglich mit sakralem Touch im Intro. Dann knallt das Schlagzeug rein und der ganze Song öffnet sich. Der ist richtig cool. Insgesamt wurde das Album nach hinten raus irgendwie stimmiger, rockiger und stilistisch eindeutiger. Finde ich echt super.
Insgesamt beschleicht mich auch der Eindruck, dass die Band in Studentenkreisen recht beliebt sein könnte. Zu Anfang kommt das Album eher untypisch daher und erlaubt sich Experimente. Stilbruch? Nein. Entwicklung ist das Stichwort. Ins positive? Ja, Geschmack ist aber sowieso immer streitbar (außer Hansa Pils, das ist top!).
Wer’s alternativ mag, wird hier sicher fündig. Allerdings ist es auch nichts für alle. Soundmäßig breit aufgestellt, lassen Kind Kaputt hier einiges vom Hocker.
Checkt sie auf jeden Fall mal aus, es lohnt sich. Die werden bestimmt noch ne Nummer größer.
01. Anfang und Ende
02. Glücklich Sein
03. Kenntnisstand
04. Gegen Dich
05. Vergessen
06. Stolpern
07. Gut Gemeint
08. Alles Erreichen
09. Nadel
10. CH2O
11. Wartezimmer
12. In Frieden