Ein Trilogieabschluss ist kein Zertifikat das mensch sich an die Wand hängen kann, damit alle sehen, wie toll es doch so im Leben gelaufen ist, aber er markiert ein Finale, irgendwas wurde fertig. Das kann auch sehr befriedigend sein. Bei der vorliegenden Platte handelt es sich um einen solchen Abschluss. Nachdem vor über 20 Jahren die 7" Inkubation und Legislative (Lied 1 bis 5) und Krank mit Vi(e)ren (Song 6 bis 10) erschienen sind, wurden nun selbige nochmals mit den restlich damals aufgenommen Liedern auf dieser LP veröffentlicht. Genaugenommen sind also Lied 11 bis 15 über 23 jährige "Neuheiten", die auch als dritte EP hätten erscheinen können, aber es fehlte bisher an Geld und Energie. Wo beides jetzt herkam, hätte mich und bestimmt einige andere sehr interessiert.
Mir fehlt anfangs etwas der Bezug zur Platte und sie liegt auf dem Plattenspieler. Das sonnenblumengelbe Strandcover mit Apocalypse-Now-Anleihen ist aber nicht zu übersehen und schreit tagtäglich: Besprich mich! Ich fühle mich etwas provoziert, bevor ich überhaupt rein gehört habe. Zudem hab ich noch nie etwas von Anti-X gehört und aus dem 18-seitigen, farbigen A5 Beiheft mit Texten und vielen alten Fotos ist zur Bandgeschichte nichts zu erfahren. Jetzt muss ich auch noch recherchieren, Boah! Ihr seht, der Start zu Therapie und Genesung könnte nicht besser sein... Wenn nach so vielen Jahren Musik erscheint, erleichtert es mir ungemein, eine Verbindung aufzubauen, wenn ich weiß, mit wem ich es zu tun habe. Die Texte kann ich besser nachvollziehen, wenn ich den Menschen dahinter etwas näher komme. Jetzt sehe ich schon einige den Zeigefinger heben und sagen: Aber das Werk steht für sich und sollte so funktionieren. Ja, vielleicht, aber das hier ist Punk und "Kunst ist es nie gewesen!" (Danke, Disco//Oslo)
Und die Bandgeschichte sowie die Biographie einzelner Bandmitglieder ist hoch interessant! (Recherchiert selber!) Es ist ein großer Verdienst von Labels wie Elbtal Records und Lion Crew Records, dass mal andere Menschen als die gängig bekannten, die in der DDR angefangen haben, Punk zu leben, zu Gehör kommen. Und so kann ich auch die Texte von Freiheit und Unangepasstheit viel besser einordnen und verstehen und noch besser nachvollziehen, warum gegen Autoritäten und Produktionsverhältnisse angesungen wird. Und der Rückgriff auf lyrische Texte von Mühsam und Brecht kommt dann auch nicht mehr gekünstelt vor.
Und musikalisch? Als herausstechendes Merkmal würde ich den Wechselgesang zwischen Peg und Shanghai herausheben wollen. Das ist erfrischend und macht Spaß. Die Saitenfraktion gefällt mir mit jedem Durchgang besser und das Schlagzeug scheppert schön. Ein besonderes Schmankerl sind die zum Schmunzeln bringenden Versionen von My Way (Mein Leben) und Wild Thing (BSE).
Fazit: Therapie und Genesung und ich hatten so unsere Startschwierigkeiten, haben uns dann aber lieb gewonnen.
Anspieltipps: Freiheit spüren, Ich bin, Trutzlied
01. Freiheit spüren
02. Kandidatin
03. Wasserradballade
04. Generalstreik
05. Mein Leben
06. Leo
07. Habt ihr mich laufen sehen
08. Ich bin
09. Maschinenpark
10. BSE
11. Trutzlied
12. Atunchie Fao
13. Denkmal
14. Laut
15. Garagenhof