Nicht lang ist es her, dass ich mich von Laura Jane Grace's Qualitäten als Schreiberin überzeugen konnte, als ich ihre Biografie "Tranny: Confessions Of Punkrock's Most Infamous Anarchist" verschlungen habe. Ein Buch, das sich mit ihrer Jugend, ihrer Punkwerdung, dem Werdegang ihrer Band AGAINST ME!, ihrem Drogenmissbrauch und vor allem ihrer Geschlechtsinkongruenz und der daraus folgenden Transition beschäftigt. Ein Buch, das ich uneingeschränkt jedem empfehlen kann, nicht ohne Grund wurde es bereits als eines der besten Musik-Bücher bezeichnet. Nun bescherte sie uns mit "Hole In My Head", ihrem vierten Solo-Album beziehungsweise ihrem zwölften Album insgesamt, neues Material für die Ohren. Dem vorhergegangen waren "Bought to Rot" unter dem Namen "Laura Jane Grace and the Devouring Mothers", das noch vor der Pandemie erschienen ist. Darauf folgten ihr Solo-Album "Stay Alive" von 2020 und das schon eher als EP durchgehende "At War With The Silverfish".
Auf "Hole In My Head" präsentiert sich Laura Jane Grace, wie wir sie bereits kennen, als eine herausragende Künstlerin und Musikerin, gesegnet mit einem Talent für mitreißendes Songwriting, tiefschürfende Lyrics und einer tollen Stimme. Unterstützung bekam sie diesmal von Matt Patton, der ansonsten den Bass bei der Rock- / Alternative-Country- / Cowpunk-Band DRIVE BY TRUCKERS bedient und hier ebenfalls am Bass und beim Background Gesang zum Einsatz kommt. Los geht es mit dem titelgebenden Track Hole In My Head, der sich mit Ängsten und Overthinking befasst und auf dem Cover von der australischen Künstlerin Annie Walters wunderbar bildlich dargestellt wurde. Gerade die Zeilen "I need a hole in my head. I won’t learn to feel less" holen mich neben der eingesetzten E-Gitarre, die so wie sie runter geschrammelt wurde, sicherlich vielen AGAINST ME! Fans gefallen wird, sehr ab. Darauf folgt I'm Not A Cop, der sehr von 50's Rock wie ihn JONATHAN RICHMAN and EDDIE COCHRAN gespielt haben, beeinflusst wurde und Dysphoria Hoodie, einem Tribute Song für Lauras Lieblings-Adidas-Pullover. In diesem, so sagt sie, kann sie sich verstecken, wenn es ihr nicht gut geht, sie von Ängsten geplagt wird und sie nicht möchte, dass jeder ihr Geschlecht deuten kann. Der ihr also als Schutz vor der Außenwelt dient. Dies, so Laura, sei etwas, was sicherlich jede Transperson nachvollziehen könne oder selbst erleben würde. Im Verlauf des Albums lässt Laura Jane noch weitere tiefe Einblicke in ihre Gefühlswelt zu, wenn sie ihr Punk-Dasein in Punk Rock in Basements rekapituliert, der auch eine Auseinandersetzung mit den Veränderungen in der Szene ist, die die Pandemie mit sich gebracht hat. Oder wie bei Birds Talk Too, der von ihren Erlebnissen rund um ihre zahlreichen Tätowierungen zuletzt denen auf ihrem Kopf inspiriert wurde.
Ungefähr zur Hälfte des Albums, beginnend mit Cuffing Season, tauscht sie die E-Gitarre gegen eine Akustik-Gitarre und nimmt Tempo raus. Ab hier werden die Songs größtenteils von ihrer Stimme und den Lyrics getragen. Sie befasst dabei in Tacos And Toast und Keep Your Wheels Straight mit ihrer neuen Heimatstadt St. Louis, in der sie sich im Gegensatz zu Chicago (s. I Hate Chicago), wo sie viel Zeit verbringt, um bei ihrer Tochter zu sein, sehr wohl fühlt. In Mercenary wird noch mal kurz der Einfluss von Matt Patton auf das Album deutlich, der hier metronomisch seinen Bass und flüsternde Background-Vocals beisteuert. Sie reflektiert Drogensucht, deren Folgen und den Entzug davon bei Hard Feelings und schließt das Album mit dem sehr ruhigen Song Give Up The Ghost, bei dem sie einem erneut mitnimmt in ihre Gedanken und Zweifel, die bei den letzten beiden Titeln zwischen Bedauern und Rechtfertigung pendeln.
Gefielen mir ihre beiden letzten Solo-Alben schon sehr, setzt dieses noch eine Schippe drauf, gerade durch die elektrisch verstärkten Songs zu Beginn des Albums. Wieder mal weiß die AGAINST ME! Frontfrau mit Tiefgründigkeit, Glaubhaftigkeit, einem treffsicheren Gespür für Melodien und viel Charme zu überzeugen. Bleibt nur zu hoffen, dass bald vielleicht auch wieder ein Full-Band-Album ansteht und dass sich die Zeilen “ I’m Standing At The Center Of The Universe. Screaming At God, I’m Not Done”, wie sie es in Give Up The Ghost verkündet, noch lange bewahrheiten!
01. Hole In My Head
02. I'm Not A Cop
03. Dysphoria Hoodie
04. Birds Talk Too
05. Punk Rock In Basements
06. Cuffing Season
07. Tacos And Toast
08. Mercenary
09. Keep Your Wheels Straight
10. Hard Feelings
11. Give Up The Ghost