Vor geraumer Zeit habe ich es mir mit der kompletten Deutschpunkwelt dank eines launigen Bierschinken-Reviews irgendeiner Band komplett verschissen. Mein Kopf wurde gefordert und es wurde gedroht dass mir Nachts irgendjemand den Lack vom Toyota zerkratzt. Dabei hatte ich nur angemerkt dass Deutschpunk von Männerbands welcher hauptsächlich Männerthemen (Saufen) bedient in den meisten Fällen keinen Raum für Selbstironie bietet und bei vielen Menschen höchstens zum Einstieg in die schillernde Welt der Punkmusik in ihren Teenagerjahren dient. Gottseidank lebe ich noch und kann nun eine Lanze brechen, eine Lanze für den guten Deutschpunk. Der Deutschpunk, der sich selbst augenzwinkernd rumpelige Musik und Trashtitel erlaubt, der so drüber und dämlich ist dass er sich dieser Attribute zu jeder Sekunde bewusst zu sein scheint. MARDERSCHADEN aus Oldenburg kommen zwar nie an die metahumorigen SHITLERS oder die Souveränität und den persönlichen Tiefgang von POGENDROBLEM oder ERSATZKOPF heran, trotzdem freue ich mich zu hören dass man auch kindischen DIY Punk mit Titeln wie „5000 Jahre Durchfall“ oder „Dosenbier unterm Bremspedal“ produzieren kann ohne dabei wie ein Studienprojekt zu klingen das sich zur Aufgabe gemacht hat, Schlachtrufe-BRD-Songs zu imitieren. Die Lieder bestehen aus einfachen Hardcore-Punk-Riffs, ändern hier und da auch mal das Tempo und bieten immer wieder Raum für infantile Parolen („Ein Löschflugzeug, ein Löschflugzeug, ein Löschflugzeug voll Pisse!“) gesungen in muffigem Ton. Erstaunlich finde ich, dass bei dem sehr natürlichen Sound die Texte noch gut verständlich sind. Inhaltlich ist schon alles hart an der Grenze zum Jugendhaus-Pennälerhumor und bietet dennoch mehr Finesse als irgendwelcher NIX-GUT-Nietenpunk von damals oder Proberaum-Schrammelaction aus Tapesamplerzeiten. Quasi als würde man Dosenbier in ein Sektglas kippen. An dieser Stelle auch nochmal gute Noten fürs Erscheinungsbild: Solider Bandname ohne dummen Wortwitz, sperrige Doppeldeutigkeit oder affektierte Coolness, korrekte Stickermotive mit Antifa-Slogan, selbst der kumpelige Titel des Tapes spricht mich zu 100% an. Das ist alles so herrlich unaufgeregt und ohne erkennbares Erfolgskonzept oder Szeneverwurschtelungen, total angenehm. Ich würde MARDERSCHADEN gerne einmal live erleben und bin sehr gespannt was da noch kommt, den Start mit dieser Musikkassette finde ich jedenfalls sehr gelungen. Wenn die Band sich nicht direkt wieder auflöst attestiere ich ihr hiermit sogar eine rosige Genre-Zukunft.