Prolog:
Es ist beim Releasekonzert von Goldzilla und Günther and the Jauchs, dass ich mich mit Tobi von black cat tapes kurz über das Labelkonzert im Mai unterhalte, wo Tischlerei Lischitzki spielen sollten. Eine Woche später habe ich das Tape Lieblingslieder im Briefkasten.
Seit diesem Tag schaut mir dieses Tape täglich ins Gesicht und länger tief in die Augen und ich denke: Ach ja, da muss ich noch etwas schreiben.
Des Weiteren ist es problematisch, dass ich von der Tischlerei bisher wenig Ahnung hab, der Name ist bekannt und präsent, aber nur durch die Splits mit anderen Bands. Mein Wissen beschränkt sich auf die anderen Kapellen, seien es Option Weg und Moloch oder die großartigen Grizou. Da könnte ich aus dem Stegreif einiges fabulieren... (Bei dem Cover Antifa Altersheim ist Yok auch zu hören). Wie soll ich über 20 Jahre Bandgeschichte, die hier von Tini und Tobi (blackcattapes) und Daniel (Elfenart) so liebevoll kuratiert wurden, gebührend darstellen? Das Nachdenken darüber lässt die Prokrastination nur noch weiter ihre widerlichen Auswüchse vorantreiben. Zeit vergeht.
Und dann ist es soweit, es ist mittlerweile Sommer, draußen über 30 Grad und ich bin bereit, das zu wuppen. Der Versuchsaufbau sieht folgendermaßen aus:
Kaffee wurde gekocht, die Vorhänge sind zu, alle Sozialkontakte wurden verbannt und das Telefon ist auf lautlos gestellt. Das Ding muss heute fertig werden und dafür werde ich die Kassette einmal komplett durchhören!
Die Anlage mit dem Tapedeck ist so alt, dass sie bestimmt den Raum um 1,5 Grad mehr aufheizt. Egal, bloß nicht schon wieder abschweifen….
Rezi:
Gleich zu Beginn setzen flirrende Gitarren ein, das Tempo ist nicht all zu hoch, der Bass und das Schlagzeug gesellen sich schleppend dazu, also das Intro ist schon mal geil. Danach zieht das Tempo an und es wummert, der Gesang erinnert mich an Stunk von Es war Mord, und ich bin sofort in einem 80er Jahre Vibe. Was folgt, ist aber kein Festklammern an einen durchgehenden Stil, ein paar experimentelle, stakkatoartige Passagen muss mensch schon ertragen, manchmal auch Gekniedel und Rockarrangements. Bei einigen Liedern merke ich, wie gewöhnlich es mittlerweile ist, Lieder zu skippen, sobald es auch nur eine Kleinigkeit anstrengend wird. Die Unmöglichkeit diesem Drängen nachzugehen, macht mich an manchen Stellen richtig hibbelig.
Ächzende Wut und Genervtheit über dieses Land sowie Texte über Grenzpolitik, Abgrenzung zur Mehrheitsgesellschaft, Krieg, Nazischeiße und Armut passen nicht gerade zum Wetter, aber zur derzeitigen Lage. Und die Tischlerei bleibt nicht in der Metaebene stecken, sondern blickt auch in die individuellen Gefühlswelten und besingt u.a. Selbstzweifel, Rastlosigkeit und Liebeskummer. Das ist selten heiter, aber notwendig. Über 60 Minuten schallt die Kassette durch meine dunkle Höhle und ich bin danach etwas fertig. Arbeit ist scheiße, aber dafür kann jetzt die Tischlerei ganz und gar nichts! Und für den inzwischen lauwarmen Kaffee auch nicht.
Um das Layout hat sich Julian von Gloomster gekümmert und es ist passend unprätentiös gehalten. Von allen bisherigen Veröffentlichungen, aus denen hier die Labelbetreiber*innen gefischt haben, ist das Cover abgebildet und es gibt ein paar Worte der Band. Einfach und gut.
Fazit:
Sobald das Tempo hoch und die Struktur simpel gehalten wird, bin ich voll dabei. An anderen Stellen müsste ich noch ein wenig öfter rein hören. Die Sperrigkeit einiger Songs ist beim ersten Mal anstrengend, aber Komplexität gewinnt durch Auseinandersetzung und Reinfuchsen, ich bin mir sicher, das kommt noch und der Zugang wird besser. Thematisch gibt es sowieso nichts auszusetzen. Und für den Song Gesicht bin ich dankbar. Er ist ein Schmuckstück und fängt harmlos, unverzerrt an und ist zudem gefühlt ein Stück zu schnell gespielt, es scheint, als stolpert irgendwas in dem Lied. Ach wie toll. Voll die Entdeckung! Allein dafür hat es sich gelohnt, das hier zu machen.
Weitere Anspieltipps: Blickdicht, Nein, Sex ist nicht englisch, die große Flatter, Antifa Altersheim
h*einz_zweidreI () 04.07.2024 11:50 |
zum Reinhören: https://blackcattapes.bandcamp.com/album/bct-60-tischlerei-lischitzki-lieblingslieder |