Musikalische Altlasten verseuchen noch immer Fös Grund und Boden. Ich hab mich ihnen angenommen und herzlichen Glückwunsch, wir haben einen Gewinner! Das für mich am meisten belastende Material ist soeben geborgen worden! Dabei handelt es sich um "Alles schon erlebt?" von der Band BLANKER HOHN aus Hamburg-Harburg. Die Band gibt es schon seit den frühen 80ern und wurde nun vor einiger Zeit reaktiviert. Darüber haben sich zahlreiche Fanzine-Kollegen gefreut und schrieben deshalb so Sachen wie "So funktioniert Deutschpunk im Jahr 2023" (Ox) oder "das klingt richtig frisch und hat durchaus Biss" (Plastic Bomb). Wer das auch so sieht, der hört ab hier nun besser auf zu lesen.
Ich für meinen Teil find das hier eher unterdurchschnittlich und zitiere daher gern meinen Kollegen Keule, der anlässlich ihrer EP "Die letzten ihrer Art" schrieb "musikalisch und textlich eher leichte Kost". Dem schließe ich mich an, ich finde, das ist immer noch alles ziemlich dünn, was hier geboten wird. Die vier Herren scheinen das Herz am rechten Fleck zu haben und schrecken auch nicht davor zurück, ihre Meinung kundzutun. Nur wenn sie dies tun, dann ist diese Meinungsäußerung so dermaßen platt, dass ich beim Hören die Krise bekomme. Überall lauern einem einfache Schüttelreime auf und die Gesangsfähigkeiten des Sängers befinden sich auf dem Level eines Wolfgang Wendlands, dessen Stimme auch ähnlich wohlklingend ist. Hinzu kommen Texte, wo einerseits berechtigte Kritik an digitalen Medien (sie lesen in dir) und an modernen Fortbewegungsmitteln (Elektroroller) geübt wird, die aber auf der anderen Seite auch etwas fortschrittsfeindlich erscheint. Wirkt auf mich manchmal wie alte Menschen, die ihre Abneigung gegenüber neumodischem Kram kundtun. Was kommt beim nächsten Album? Ein Rant auf Selbstbedienungskassen und bargeldlosem Bezahlen? Außerdem zu finden, eine Ode an ihr Lieblings-Punkrock-Shirt. Belangloser geht es kaum. Ach wärt ihr doch auch nur ein bisschen "edgy, fresh, clean und young" wie die besungenen Top-Models. Ich finde außerdem, auf einem Punkalbum sollte nicht in gefühlt jedem zweiten Text das Wort "Punk" vorkommen! Da bekomme ich gut Lust erst meine Lederjacke in den Müllschlucker und dann mich selbst hinter her zu werfen. Lasst das!
Erwähnenswert wäre dann vielleicht noch der Humor, der sich auf dem Niveau von Perscheid befindet. Punks in Altersrente auf dem Mars, Texte über Angst vorm Pogo weil zu alt oder die musikalische Ermutigung zum Arzt zu gehen? Och ne ey, ich habe nicht gelacht! Eure Altersrente auf dem Mars könnt ihr meinetwegen gerne antreten, ich gebe auch was zu den Flugkosten dazu, wenn das im Umkehrschluss bedeutet dass ich diese Musik von alten Männern für alte Männer nicht mehr hören muss. Zum Glück gibt es für mich, im Gegensatz zu den Hamburgern, einige Alternativen zu Deutschpunk!