Pro Bücherverbrennung, jedenfalls in Einzelfällen. Ich will euch hier ein Buch vorstellen, das mir mein guter Freund und geschätzter Bierschinken-User Fr. Aal überlassen hat, als ich mal bei ihm war und nix zu lesen mit hatte. Ich hab das Buch mitgenommen, hatte aber auf der Rückfahrt einen derartigen Schädel, dass ich nicht dazu kam, das Buch zu lesen.
Unlängst befand ich mich auf dem Weg in die Uni, als meine Gangschaltung mal wieder verrückt spielte. Kurzerhand steuerte ich den Fahrradhändler meines Vertrauens an und er sagte mir, in ner Stunde könnte ich das Rad wieder abholen - also mit dem Bus in die Stadt. Währenddessen ärgerte ich mich, dass ich weder MP3-Player noch was zu lesen hatte, bis mir das Buch in der Vordertasche meines Rucksacks einfiel. Also habe ich beim Warten an diversen Bushaltestellen und vor diversen Büros von überbezahlten Geisteswissenschaftlern angefangen, das folgende Buch zu lesen:
Wo die wilden Maden graben von Tobias Nagelschmidt.
Schon falsch. Das Buch heißt natürlich "wo die wilden maden graben" und ist von "nagel" geschrieben worden. Groß- und Kleinschreibung sind natürlich total Mainstream und Ausdruck unserer Zucht- und Ordnung-Nazigesellschaft, werden aber im Inneren des Buches natürlich konsequent verwendet und ich kann euch auch sagen warum: Weil es sonst niemand lesen bzw. kaufen würde.
Dieser Nagel (Jg. 1976) ist jedenfalls der Sänger von Muff Potter, Verzeihung, schon wieder falsch, der Sänger von "muff potter.". Ich konnte diese Band schon nicht leiden, als ich ihren ersten Aufkleber gesehen habe und als ich später mal reingehört habe, wurde ich in meiner Meinung nur bestärkt, denn sie machen genau das, was der Bandname verspricht: Mädchen-Indie-Softpunk für Leute, die in Studivz-Gruppen wie: "fernweh." oder "liebe.freiheit.alles." Mitglied sind. Das muss ich mir nicht mal ausdenken, denn ich kenne Frank und auf Franks WG-Partys laufen Leute rum, die in solchen Gruppen sind. Wir entdecken als Gemeinsamkeit zunächst äußerlich die Kleinschreibung und den Punkt am Ende, inhaltlich in den Gruppen bzw. der Musik von Muff Potter manifestiert sich weinerliches Gefühlsgedusel. Muff Potter sollen früher allerdings akzeptablen Deutschpunk gemacht haben, ich werde da mal reinhören.
Zurück zur Buchrezension. Es geht bereits beim Cover los: Buchtitel und Autor sowie der Zusatz "Roman" (nein, natürlich "roman") stehen auf mittig auf einem weißen Streifen, dahinter ein in Rottönen gehaltenes Foto. Man sieht: Eine mit Edding geschriebene, mit Panzertape auf den Boden geklebte Setlist (total D.I.Y.!), Kabel, son Fußpedal fürn Gitarrenverzerrer (ROCKNROLL!!!) und zwei Sambas. Scheiße, die trag ich ja auch! Dazu gleich mehr, zunächst sei das Titelbild zuende beschrieben. Auf der Setlist stehen nämlich drei Plastikpinnchen mit (ich vermute) Jägermeister, das gehört nämlich bei Muff Potter zu jedem Auftritt dazu, dass die vorher jeder nen Jägi kippen. Und genau da ist schon das Problem - das Ritual finde ich in Ordnung und ich trage Sambas.
Genau das macht dieses Buch so schwierig, denn mit fortschreitendem Lesen entpuppt sich der Sänger bzw. Autor bzw. Protagonist immer mehr als Vollmongo, aber man entdeckt doch erstaunliche Parallelen zu seinem eigenen Leben und Sachen, auf die man selbst noch nicht gekommen ist, die aber witzig sind, wie z.B. die Regelliste im Tourbus, die mit " § 9: Schnauze." endet.
Es ist auch nicht ganz klar, welche Teile des Buches Fiktion und welche Realität sind, das Buch besteht jedenfalls aus drei Arten von Text. Den normalen Text, der die Gegenwart darstellt, dann Text in so ner Schreibmaschinenschriftart, der offensichtlich die Jugend des Autors/Protagonisten wiederspiegelt und zwischenzeitlich gibts noch kursiv gedruckte Stellen, das sind dann Träume, glaube ich.
Das Buch beschreibt vier Wochen einer Tour von Muff Potter, nehme ich jedenfalls mal an, der Name der Band wird im ganzen Buch nicht genannt. Coole Aktion, denke ich mich, da will wohl jemand verhindern, dass das mit seiner Drecksmusik assoziiert wird, aber nein, am Ende des Buches wird noch das neue Album beworben. Verkackt.
Ebensowenig werden die Namen von Städten in dem Buch erwähnt, Münster ist nur "die Studentenstadt", Rheine ist "die Kleinstadt, aus der ich komme, mit 50.000 Einwohnern" und Osnabrück "zwei Städte weiter", wobei mich interessieren würde, von wo aus das gezählt ist und was zwischen Münster und Osna sein soll. Die Namen seiner Bandkollegen hat er auch verändert, weiß Gott warum.
Jetzt werde ich mal darin weitermachen, warum ich das Buch hasse und was zwischenzeitlich doch ok war.
Das schlimmste an dem Buch ist, wie der Typ versucht, sich als den Allergeilsten darzustellen und ihm das offensichtlich nicht mal peinlich ist. Dabei wird noch auf harten Mann und besonders krassen Punker gemacht, was schon auf den ersten paar Seiten ad absurdum geführt wird, wo er sich aufregt, dass es in der Location des Gigs keinen eigenen Raum zum Warmsingen gibt. WAS BITTE? Einen eigenen RAUM um dich WARMzusingen? Sind wir hier in der Oper oder was?
Aber das geht alles auf dasselbe Problem zurück: Muff Potter versuchen, eine Punkband zu sein, machen dabei aber doch nur Kleinemädchenindierock, und da muss die Stimme halt immer gleich klingen und schon gar nicht irgendwie versoffen oder verraucht.
Apropos Rauchen: Geraucht wird im gesamten Buch, wo es nur geht, von allen, überall, permanent. DANN ABER kein Fleisch essen und rumheulen wenn die Stimme kaputt ist. Mann mann mann.
Sehr gut sind auch die Rückblenden in die Jugend, Rheine scheint ein ähnliches Scheißkaff zu sein wie Delmenhorst, nur noch schlimmer, mit Schützenfest und so.
An einer Stelle beschreibt er dann auch, wie er zu Hause sitzt und seine Freundin erwartet, erstmal alleine drei Gläser Wodka-O trinkt, sich dabei schminkt und wieder abschminkt, damit es nicht aussieht, als sei er geschminkt sondern nur noch so ein leichter, verruchter Rest Schminke vorhanden ist, oder so ähnlich. ALTER. Sowas machen und dann noch stolz davon zu berichten, alte Falte - wenn ich dem Typen das ins Gesicht sagen würde, würde er wahrscheinlich sagen, ich hätte sein Buch nicht verstanden und er will damit nur darstellen, wie abgrundtief traurig sein damaliges Leben war. Ja selber schuld, wenn man sich schminkt, oder was. Meine Fresse. Aber kein Fleisch essen!
An anderer Stelle wird er gefragt, ob er bei der nächsten MTV Campus Invasion helfen will, die Bühne aufzubauen. Da schreibt er dann, dass er keine Lust hat, vor der Bühne im Dreck rumzukriechen, wenn er doch eigentlich selbst draufstehen sollte. MTV spielt aber nur Drecksmusik und ist allgemein ein Scheißsender. Super, kindliche Trotzreaktion, meine Schwester oder andere Gammelstudenten können das jetzt sicherlich in die Entwicklungsphasen des Menschen einordnen und sagen, dass der Typ geistig drei oder fünf ist, ich belasse es dabei, dass er einfach ein riesiger Idiot ist, aber das hab ich ja auch schon ein paar mal geschrieben.
Was ganz gut ist, sind die Beschreibungen, wie er dauernd mit Männern rumleckt, bei unserer homophoben Gesellschaft kann das nicht schaden. Denn die ganzen Typen, die dieses Buch ernsthaft lesen und dem darin Gesagten huldigen, ziehen sich zwar an wie Mädchen und benehmen sich auch so, haben aber garantiert noch nie die Bartstoppeln eines anderen Mannes in ihrer Oberlippe gespürt. Jetzt bin ich gerade selbst etwas entsetzt, was ich hier für Sachen verzapfe, naja, liest ja außer euch Deppen eh keiner und euch hatte ich sowieso schon alle im Bett.
Getoppt wird das homoerotische Rumlecken nur noch durch ein paar Schwanz-Beschreibungen, an einer Stelle pisst einer aus dem Hotelfenster (wobei die Stelle eher dazu dient, klarzustellen was für harte Rocker die alle sind) und winkt dem Protagonisten, der total lebensmüde und verrückt und krass Roggenroll wie er nunmal ist, aufs Dach geklettert ist, um da ne Zigarette zu rauchen, mit seiner Nudel. Witzig. Weniger witzig sind die Gedanken des auf dem Dach sitzenden Autors, ich zitiere hier nur einen kurzen Satz: "Ich mag den Mond.". Den Rest könnt ihr euch denken, oder besser nicht.
Noch besser ist die Stelle, wo sich irgendjemand "eine brennende Zigarette in die Schwanzspitze" steckt. Ich weiß nicht genau, was mit Schwanzspitze gemeint ist (unter die Vorhaut oder in die Harnröhrenöffnung) und mit welcher Seite zuerst (da die Anwesenden alle relativ glücklich scheinen, gehe ich von der Filterseite aus), aber jetzt habe ich schon wieder viel zu viel darüber nachgedacht und wahrscheinlich auch deutlich mehr, als der durchschnittliche Leser dieses Meisterwerks.
Viele Seiten des Buches sind auch gefüllt mit Beschreibungen, was für eine geile Band Muff Potter ist. Das fängt damit an, dass er einer Interviewerin stolz erzählt, wie "groß" seine Songs alle sind (dieses Wort als freistehendes, positives Adjektiv zu benutzen, sollte verboten werden, das machen sowieso nur Indiewichser), geht weiter über eine Stelle, wo die Veranstalter so große Fans sind, dass sie ein total krasses vegetarisches Büffet als Catering auf die Beine stellen und findet seinen Höhepunkt in der Beschreibung eines Festivals, wo sie ohne Zuschauer spielen müssen, weil die Ordner die Fans zurückhalten.
Da steht dann zuerst nur der Chefredakteur eines großen Musikmagazins vor der Bühne und wippt lässig mit dem Fuß (das hat uns die Intro eingebrockt, naja oder die Visions) und dann kommen die Horden von Fans, die sich im ZELT extra ihren Wecker gestellt haben, weil Muff Potter nen 20 Minuten Slot um 10 Uhr morgens gekriegt haben (warum wohl?) angerannt, und sowieso und überhaupt sind die alle nur wegen Muff Potter auf dieses jene Festival gefahren. War zu faul, zu recherchieren, welches das war, aber ist ja auch nicht so wichtig.
Um darzustellen, wie harte Kerle die Mitglieder der Band doch alle sind, wird auch mehrfach darauf eingegangen, dass man im Bus manchmal zu seinen Freunden "Du Arschloch" sagt und das gar nicht so meint. Alter, sind die krass drauf, das hab ich ja noch nie gehört, sowas
Die konsequente Benutzung des Wortes "Offday" für einen freien Tag auf Tour erinnerte mich dann an dieses eine Lied von Montreal von der einen EP ("Erzähl mir mehr"), wo genau solche Leute abgespeist werden. Ebenso wird sich im Buch dadurch profiliert, dass sie zu ihrem Bühnenbanner "Banner" sagen und nicht "Backdrop", das dann aber so erklärt wird, als wüsste niemand, was ein Banner eigentlich ist. Zusammenhang: Sie rutschen auf ihrem Bühnenbanner einen schneebdeckten Hügel runter, was leider schon wieder cool ist.
Ebenfalls ne nette Anekdote ist die Geschichte, wie sie beim Einreisen in die Schweiz vom Zoll mit den Worten "Haben Sie irgendwelche Neger dabei?" (natürlich in Schwizerdütsch wiedergegeben) begrüßt werden und dann nicht weiterfahren dürfen, weil sie 500kg Übergewicht haben. Die logische Konsequenz, dass dann ein paar Leute aussteigen und zu Fuß über die Grenze gehen, wird allerdings im Buch über eine Seite ausgestreckt und als Erfindung des Rades bejubelt, mir war da von vornherein klar, was da passieren wird. Allerdings müssen von denen sieben Leute mit Gepäck aussteigen, ihr verkackten Hungerhaken! Da habt ihrs wieder schwarz auf weiß, warum ich so dick bin: Dünn sein ist indie.
Diese Geschichte schließt jedenfalls mit dem Satz "Was solls, wieder ne nette Story für zu Hause" oder so ähnlich. Dreht sich denn alles nur darum, eine gute Story abzugeben?
In genau dieser Situation habe ich mich aber tragischerweise auch selbst wiedererkannt, wir erinnern uns an den Anfang meiner Buchrezension, als ich mit dem Buch in der Hand durch die Uni gelaufen bin und Bus gefahren und so. Dabei habe ich überlegt, haha, wie lustig wäre das, wenn mich jetzt ne Trulla auf das Buch anspräche. Das könnte ich dann Engel in ICQ erzählen und ein paar OMGs und WTFs und Grinsesmileys später wäre das ganze dann auch wieder vergessen, es ging mir also auch primär darum, ne tolle Geschichte erzählen zu können. Dann hab ich mal weiterüberlegt, was mir das ganze sonst noch so gebracht hätte, denn erstens habe ich ja ne Olle und ne Frau, die mich wegen dieses Buchs anspricht, will ich ja auch gar nicht, solche Leute will ich nicht mal kennen! Etwas später ist mir dann ein großer, leicht übergewichtiger Typ mit furchtbarer Frisur und Hornbille aufgefallen, der ein Muff Potter-Shirt anhatte. Zum Glück hatte ich das Buch in dem Moment im Rucksack. Würde ich die Biographie von Claus Lüer lesen, wär das ganz was anderes, aber die muss der Kollege ja auch erstmal noch schreiben.
Weiter im Text, gerne ergeht sich der Autor auch in der Beschreibung, was für ein harter Kerl er im Speziellen ist (also härter als die anderen Bandmitglieder), dazu dient die Aufzählung aller Straftaten seines Lebens (Kirmesprügeleien, gefälschtes Semesterticket, zweimal besoffen Auto fahren, einmal mit Unfall)... bist schon n geiler Typ, Nagel.
Engels Lieblingsstelle des Buchs ist dann eine Rückblende, wie er versucht, mit seiner Freundin eine Flasche Wein, die er in eine Disco geschmuggelt hat, zu öffnen, und zwar auf die gute alte Punkerart (Korken reindrücken). Dabei platzt leider die Weinflasche und seine Freundin verblutet fast, während er erstmal den Akku aus seinem MD-Player suchen muss und dann bis morgens weitersäuft, während sie sich im Bett vor Schmerzen windet, oder so ähnlich.
Die Stelle fand ich jetzt nicht herausragend scheiße, eher so durchschnitt im Verlauf des Buchs, aber sie bringt mich zurück auf den MD-Player.
Der MD-Player, jaha, MD, nicht MP3, nein, ich bin Retro, ihr Wichser, ich hab nen MD-Player, jedenfalls dieser MD-Player begleitet den Protagonisten auf Schritt und Tritt. Weil man ja kaum MDs kaufen kann, hört er also immer seine selbstaufgenommen Mixtapes mit so tiefsinnigen Titeln wie "Soul to Zero" oder so ähnlich, hab ich mir nicht gemerkt, es gibt Sachen, für die ist selbst mir der Speicherplatz in meinem Gehirn zu wertvoll.
Neben der Betonung auf dem MD-Player wird auch viel Wert darauf gelegt, dass der Leser mitbekommt, dass der Held des Buches Bücher liest. In erster Linie dadurch, dass oft erwähnt wird, wie sehr er nicht mit "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" vorankommt, weil man auf Tour so schlecht lesen kann. Alter, mir ist grad aufgefallen, dass mein Telefon noch die Schutzfolie auf dem Display hatte, das hab ich schon über ein Jahr, erstmal abgezogen. Sorry for interrupting.
Die subtilen Andeutungen, wie schlau der Gelegenheitsarbeitslose doch ist, ziehen wohl nur in einer Gesellschaft wie drüben in den US of A, wo man schon als Akademiker angesehen wird, wenn man mal ein Buch liest. Read a book, read a book, read a motherfuckin' book (siehe dazu Youtube). Seiner Leserschaft traut er das allerdings alles noch nicht so ganz zu, deshalb müssen Anlehnungen an Charles Bukowski auch immer kenntlich gemacht werden, dabei geht es vielleicht auch nur wieder darum, den Namen eines Autors zu erwähnen.
Während einer Rückblende wird erzählt, wie er in irgendeinem Unternehmen juristische Urteile im Computer bearbeiten muss und sich die krassen Fälle immer heimlich per Email nach Hause schickt, obwohl er sie eigentlich nicht mal lesen sollte (Rebell, krasser Rocker, ihr erinnert euch). Bevor man diese Erklärung allerdings bekommt, liest man eine Rückblende, die nur aus einem solchen Urteil und der Beschreibung eines Mordes besteht. Nach einem kurzen WTF-Moment erklärt sich das aber auch.
Als ich gerade wahllos das Buch aufgeschlagen habe (das geht erstaunlich gut, ich gucke rein und finde irgendwas um mich aufzuregen, meines Blutdrucks wegen sollte ich Engel das Buch bald mal zurückgeben oder es direkt verbrennen) erzählt der Typ, dass Bands, die live genauso klingen wie auf CD total kacke sind und keiner sie hören will. Aber nen eigenen Raum zum Warmsingen, is klar Typ.
Ahh! Buch aufgeschlagen: "Heute habe ich vor dem Auftritt einen eigenen Raum, um mich warumzusingen." Die nächsten Zeilen sind dann natürlich eine Beschreibung, dass der Raum eigentlich ne Abstellkammer ist und so weiter.
Eine super Geschichte ist auch, warum Nagel nach Konzerten nicht mehr im Club auflegt. Denn einmal hat er das gemacht, aber das Publikum bestand irgendwie nur aus Gothic-Schlampen in Lack und Leder und ähnlichem Gedöns, auf jeden Fall fanden die bis auf New Noise alles was er gespielt hat, total kacke. Der Club könnte so vom Gefühl her die Matrix in Bochum gewesen sein. Ok, dumm gelaufen, kann ja mal passieren, aber dann alle Menschen, die den eigenen Musikgeschmack nicht teilen, als Vollidioten, die keine Ahnung haben, hinzustellen, ist wirklich ganz ganz armselig.
Aber selber ab und zu mal ne Nase nehmen. Im Buch gibts dauern subtile Anspielungen aufs Koksen und Speed nehmen, der Konsum selbst wird nie thematisiert, nur dass man noch was dabei hat, wovon man Lines ziehen kann und wovon nicht, wann man fast erwischt wurde und so weiter. Ihr seid schon echt krass down mit eurem Drogenkonsum, geile Menschen.
Irgendwann, so nach zwei Dritteln des Buchs, folgt noch eine Beschreibung eines psychisch gestörten Fans, die unsterblich in den Sänger verliebt ist und ihm überall hinterherrennt und so weiter. Das ist zwar einerseits eine ernsthaft beängstigende Geschichte, andererseits: Sowas passiert halt, wenn man Mädchenmusik macht! Mir wird das nie passieren und ich wette, Claus oder Bert ist das auch noch nicht passiert.
Dass Muff Potter "Musik für Mädchen" machen, wird auch anfänglich im Buch durch ein Zitat postuliert, der darauffolgende Sermon sagt allerdings aus "Na und, wir sind trotzdem berühmt" oder so ähnlich.
Das Buch spielt erschreckend wenig in Münster, lediglich eine Szene, in der der Protagonist von einem ganz indifferenziert als "Russen" bezeichnet osteuropäischen Migranten zusammengeschlagen wird, spielt in der nähe der ehemaligen Bananenreiferei. Ironie des Schicksals: Die Reiferei wird da als total schäbiger Schuppen, wo nur Idioten hingehen, beschrieben (mag was dran sein, war vor meiner Zeit). Heute sehe ich das allerdings genauso, allerdings ist das Amp (so heißt die Bananenreiferei heute) ein verkackter Indieschuppen, wo man jeden Freitag mindestens zehn Muff Potter-Shirts zählen kann.
Generell kann man über das Buch sagen, dass Dinge, die in meinen Kreisen nicht besonders außergewöhnlich sind, z.B., dass es in ranzigen Clubs während des Konzerts von der Decke tropft und man hinterher sein T-Shirt auswringen kann, als total legendär dargestellt werden. Wahrscheinlich ist das Buch eigentlich total gut und ich gehöre nicht zur Zielgruppe. Haha, genau.
Am Ende des Buchs gibt's noch die Beschreibung einer Szene, in der Nagel vom Sänger einer Vorband vollgelabert wird, der währenddessen zwar auch als Idiot dargestellt wird, da er seine Kritik ziemlich unsachlich und plump (obwohl das von Nagel noch als subtil bezeichnet wird) rüberbringt, aber im wesentlichen sagt, was ich hier auch von mir gegeben habe. Seine Bandkollegen fallen auch in Ungnade, weil sie sich nach einer Zu-Null-Niederlage beim Kickern weigern, unter dem Tisch durchzukriechen - das ist allerdings wirklich schwach.
Summa summarum also ein wirklich beschissenes Buch, was man gut beim Kacken lesen könnte, da kann man sicher super bei drücken.
Ich hoffe, jetzt wo ich mir das von der Seele geschrieben habe, geht's mir ein bisschen besser und ich muss nicht alle meine spärlichen sozialen Kontakte damit zulabern, was ich doch gerade für ein beschissenes Scheißbuch gelesen habe und Brendan hat wieder ne interessante Viertelstunde.
Musiktipp am Rande (sponsored bei Zeltbastian Dorf): AC4, Sänger und Bassist von Refused machen frühen 80er-Jahre-Knüppel-HC-Punk mit "Fuck the Cops"-Texten. Hab ich beim Schreiben rauf und runter gehört
euer Gerd