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No Sugar, Chartreux, 12.06.2021 in Hamburg, Molotow - Bericht von Thruntilldeath

Pineapple-Party mit No Sugar und Chartreux, 12.06.2021 in Hamburg

Ja was war das denn? Keinen Monat zuvor noch ganz aufgeregt im Review zur neuen, aktuellen, ersten und einzig(artig)en Platte von Chartreux eine möglichst baldige Tour gewünscht auf einmal kommt der Boozy Bonka mit seinen Oompa Loompas auf die Idee, das für den Sommer ausgefallene Booze Cruise Festival doch irgendwie... stattfinden zu lassen wäre vielleicht der falsche Ausdruck, aber zumindest kurz das Feeling aufkommen zu lassen und mit einer Ananas voll Schnaps schunkelnd lauter Musik zu lauschen, u. a. auch den fantastischen CHARTREUX aus Leipzig und den nicht weniger großartigen NO SUGAR aus Kiel? Hamburg? Norddeutschland? Und Leipzig. Ganz ehrlich, niemand braucht Urlaub in der Karibik oder Bands aus Los Angeles, oder? Eben! Zu Haus is' am Schönsten!
Dazu sollte die ganze Sause auch noch im Hinterhof vom Molotow stattfinden, natürlich coronagerecht, yadda yadda, ihr kennt den Drill. pdf geöffnet, QR-Code frei, rein ins Getümmel! Ich war schon lange nicht mehr so aufregt, ein Konzert zu besuchen.
Wichtigstes Utensil des heutigen Abends war mit Abstand die gefüllte Ananas. Diese formvollendeten Wunder der Natur wurden im Laufe des Vormittags in mühevoller Handarbeit von den Stars der Hamburger Ananasszene zu Tausenden entkernt, vom Heinz Strunk befreit. malträtiert, gehäckselt, fallengelassen und angeschrien, sodass sie pünktlich um 18 Uhr zum Einlass gefüllt mit Schnaps oder Nicht-Schnaps (Saft?) allen, die sich schlauerweise ein Ananas-Ticket geholt hatten, dieses Gefühl in die Magengegend prügelten, dass alles doch irgendwie halbwegs normal wäre.

War es aber nicht. Es war schlimm. Das erste Familientreffen, bei dem ich mir explizit gewünscht habe, alle in den Arm nehmen zu dürfen und über den größten belanglosen Scheiß zu reden. Freiwillig. Oma Lisa und Onkel Snake, her mit euch! Unfassbar, wie viele bekannte Augenpaare hier anwesend waren. Irgendwie klappte die Identifizierung über Stimme und Gestik doch, aber es war einfach extrem überfordernd, wie niemand so richtig wusste, was zu tun ist, wie wir uns verhalten sollten, wer mit wem redet und wieviel Abstand angemessen ist. Krasse Überforderung, die bis heute anhält.
Zum Glück ging's dann nach wenigen Ananasens los mit den süßen Boys von CHARTREUX aus Leipzig, die hier wohl wirklich ihren ersten Auftritt spielen durften, nachdem die Herren sich erst kurz vor dem Ausbruch der Pandemie gegründet haben. Aber was ist schon ein erster Auftritt, wenn alle zusammen ca. 1000 Jahre Banderfahrungen mit anderen Quatschkapellen wie Piefke oder Tackleberry haben? 

Souverän und schön breitbeinig wurde dann auch die 14 Minuten des Albums in feinster Karohemdenhymnenmanier rumgezockt, meist mit dem Finger aufm Gaspedal, sodass nur Luft geholt werden konnte, wenn das Mikro fast einen Zahn ausschlägt oder irgendwer zu dämlichen Bühnenansagen ansetzt. Mag jetzt doof klingen, aber ich habe das bekommen, was ich erwartet habe: Geilen Scheiß in Form von lautem Punk, gespielt von mittelalten Männern! Dachten sich auch die textsicheren Kölner Bagaluten eine Reihe weiter vorne, die aus unerklärlichen Umständen von der Bank gefallen sind und auf einmal vor der Bühne lagen. Aber so sind die halt, die Kölner.
Kurz und schmerzlos (bis auf die Sache mit dem Zahn) war das Ding vorbei, die Umbaupause lies sich dank der nicht enden wollenden Versorgung mit Ananas auch gut überbrücken, trotz der vielen Menschen und der noch viel zahlreicheren Gespräche. Während eins mit Person A und B quer über den Hof anfing, endete es dann doch mit Person X und Z (Y war auf Klo) am eigenen Tisch. Nahtloser Übergang, wie auch dieser hier, denn NO SUGAR fehlten ja noch!
Immer, wenn No Sugar auf der Bühne stehen, hab ich das dringende Bedürfnis, mal was anderes als "Bandshirt + Jeans" anzuziehen. Diese Präsenz ist, ganz egal in welchem Outfit, jedes Mal die Wucht in Tüten. Ob 70er-Outfits oder Hawaii-Hemden mit Blumenkranz im Haar, manchmal wäre die Welt vielleicht ein klein wenig Besser, wenn mehr Menschen diese "Ich hab jetzt Bock darauf, das anzuziehen, mir doch egal was ihr denkt!"-Attitüde hätten. Also raus aus der Szeneuniform, getreu dem Motto "Rock'n'Roll isn't boring, it's you!" und schminkt euch (und mich) doch mal. Das ist nämlich geil!

Auf Platte sind mir No Sugar ein bisschen zu... brav? Aber live fällt es wirklich schwer, einfach nur da zu sitzen, mit dem Kopf zu nicken und den Fuß mitwippen zu lassen. Dafür geht der Powerpopgaragerocknroll zu schnell in die Tanzmuskeln, zudem macht der Gesang - mal als Duett, mal mehrstimmig - extrem süchtig. Und wer jetzt denkt, dass Songs über Pizza und Erdnussbutter oberflächliche Popnummern sind, darf sich gerne nochmal die Texte zu Gemüte führen und die Ohren offen halten, was da wirklich gesagt wird. Am Ende gab's noch das wunderbare Ukulelen-Stück vom aktuellen Album und am Merchstand die wohl besten Buttons aller Zeiten.

Danke an die gesamte Booze-Cruise-Crew für den anstrengenden Abend und an die Zuckerschnuten Charles und Alina für die Fotos ♥
Und Sonntag? Ab annen Strand, Menschen meiden, Schafe und Schiffe gucken und den lieben Gott einen guten Menschen sein lassen.
Amääähn!

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