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Antikörper-Fest Vol 1.1: Gvla, Kratzer, Frost Pisse & Elend, Welk, Friisk, 06.08.2022 in Kiel, Aubrook - Bericht von Thruntilldeath

Antikörper-Fest Vol 1.1, 06.08.2022 in Kiel

2022, irgendwann im Juni. Facebook machte mich darauf aufmerksam, dass in Kiel angeblich ein kleines Festival namens Antikörper mit Krach und Geballer stattfinden würde, u.a. mit den famosen Kratzer-Menschen, Frost, Pisse & Elend UND Friisk. Klang spannend, da klickt mensch doch gerne auf "Interessiert", wie es zum guten Facebook-Ton gehört. Hauptsache interessiert sein, das ist der Trend 2022. Interessiert sein und vergessen, dass es die Veranstaltung gibt.

2022, Ende Juli, genauer gesagt am Samstag vom One Louder!: Ein junger Mann Namens Moritz drückt mir nach gefühlt stundenlangem Monolog meinerseits über Themen, die ich vergessen habe, den Flyer zum Festival in die Hand. Ich reagiere erst wie bei der Facebook-Veranstaltung. "Interessiert". Dann leicht enthusiastisch, eventuell überschwänglich und am Ende komplett begeistert, die Offline-Zusage war damit besiegelt. Da das Festival ohne direkte Location angepriesen wurde, uiuiuiui, wie aufregend, tauschten wir Nummern aus und ich bekam am Sonntag den Standort zugeschickt. Abends bemerkte ich dann erst wieder die Veranstaltung im Internet und änderte direkt den Status auf "Zugesagt". So einfach kann das sein.
Da vom One Louder!-Festival eh noch die Kisten im Kofferraum vom Auto waren und ich das Wochenende bei meinen Eltern im Norden verbringen wollte, lag Kiel, genauer gesagt der Aubrook, quasi auf dem Weg. Im Norden ist ja alles quasi nur einen Katzensprung entfernt.
Der Aubrook in Kiel, viel von gehört, nie dagewesen. Eine mehr oder weniger selbstverwaltete, autarke Bauwagenkolonie mit Festivalgelänge und ein paar Schrebergärten. Früher Dreh- und Angelpunkt vieler kleiner Shows und Festivals, heute der geheime Veranstaltungsort, welcher nur durch genauestes Studieren der Hinweise aufzufinden war. Für mich als alter Geocacher aber überhaupt kein Problem, und auch nach 10 Minuten Fußmarsch durch das Nirgendwo kam nie ein Zweifel auf.
Der Aubrook, das sagenumwobene Land der Freiheit und angeblich auch das von Gimli, Glóin und anderen Hobbits, die heute auch gesehen wurden. Um diesem ein wenig gerecht zu werden, soll's auch gar nicht zu viele Fotos von hinter den Kulissen und der weiteren Umgebung geben, auch wenn die Location wirklich traumhaft ist. Kleines Häuschen mit Bar und Küche, Bühne mit "Amphitheater", alles ist grün und die Hunde, die laufen da auch frei herum und wollen bespaßt werden. Warte, was war das heute nochmal? Black Metal und Crustgeballer, richtig. Diese schönen Gegensätze von Location und Musik, allein dafür lohnte sich das schon.
Einlass 17:30, Anfang 18:30, der Zeitplan wurde nur knapp gerissen, was eigentlich ziemlich erstaunlich hätte gewesen sein sollen, aber, hey, für das "kleine" Ding war da alles schon heftig professionell und durchdacht. Trotz schönstem Sonnenschein betraten als erstes GVLA aus Bremen die Bühne. Black Metal von zwei Menschen, eine Gitarre, ein Schlagzeug. Und Nägel an den Ärmeln und Räucherstäbchen neben der Kerze auf der Bühne. Black Metal in Ernst also.
Und die zwei hier lieferten dann auch mächtig zum Auftakt ab. Wieso brauchen andere Bands fünf Menschen, wenn zwei ausreichen, um Satan persönlich aus der Erde aufsteigen zu lassen und feinsten Rumpelblackmetal zu servieren? Keineswegs stumpf dargeboten, immer wieder Tempiwechsel drin am Schlagzeug, eine Stimmlage von richtig tief growlend, quasi der Bassersatz, bis zu schrillem Geschrei. Dabei schaute der Sänger immer von unten zum Mikro auf und machte den Eindruck, mit seinen Zähnen ebendieses verschlingen zu wollen. Wie Es in der Szene mit Georgie am Gulli. Guter Auftakt und allein mit den Menschen schon diverser als so viele andere Punkfestivals.
Dank geht an dieser Stelle übrigens raus an Lia, die unermüdlich durch die Gegend gerannt ist, um im Auftrag der Veranstaltenden und Bierschinkens Fotos zu machen. Da sehen sogar Häbät K. Pauski und ich süß aus. Naja, Black Metal ist auch Spaß.
Für die Uhrzeit war's auch schon ganz gut gefüllt und entweder saßen die Leute entspannt im Gras und aßen Chili, tranken irgendwas mit Milch oder machten Selfies mit ihrem Selfiestick. Mitunter war das Drumherum genauso absurd-spannend wie das, was auf der Bühne passierte.
Und wenn das nicht genug war, kam noch ein Hund vorbei und wollte spielen. Meine Güte, schon wieder ist das alles so süß und entspannt, was ist denn da bei Kiel im Moment los?
Zwei Hunde beim Black Metal? ZWEI HUNDE BEIM BLACK METAL? HALLO!?
Die Umbaupause für die nächste Band war so grob ein Bier lang, was ein Tempo da an den Tag gelegt wurde. Kurzer Soundcheck und schon ging es weiter mit einem meiner Tageshighlights, KRATZER aus Hamburg. Deutschsprachiges Crustunwetter mit Texten, die einem instant die Laune verhageln. Das 2020er Album "Alles liegt in Scherben" rennt bei mir rauf und runter, und endlich mal die Textzeilen

Wie schwarz kann ein Herz sein?
Wie verstümmelt euer Gewissen?


live mitzubrüllen tut schon irgendwie gut und ist unangenehm zugleich. Da sitzen und stehen echt Leute an den Geräten, die genau wissen, was sie tun und wie scheiße unsere Welt sein kann. Wär's nicht so traurig, würde ich fast sagen, dass dieser Highspeedcrust schön ist. Zudem galoppiert das Schlagzeug auch sehr oft akustisch durch die Gegend, steh ich total drauf.
Der Sänger verausgabte sich wie kein anderer an diesem Abend, allein für die Strecke gibt's sicherlich reichlich Bonusmeilen. Immer wieder durch die Kuhle, auf und ab, links und rechts, geil. Fun fact: Der Drummer wohnt(e) bei mir um die Ecke, wollte sich mit mir zur T-Shirt- und Plattenübergabe in HH treffen und wer ist zu doof, den richtigen Treffpunk zu finden? In etwa so war das auch mit den bisherigen Gigs von Kratzer und mir, daher schön, dass das endlich geklappt hat.
Jajaja, das Lachen blieb einem nicht im Halse stecken, das machte hier ja alles schon Spaß. Stimmung gut, Musik traurig und brutal, ich erwähnte es bereits.
Langsam wurde es doch schummerig, die ersten Lichter gingen auf der Bühne an und es wurde Zeit, dass die Veranstaltenden selbst auf die Bühne treten durften. FROST, PISSE & ELEND, Black Metal mit reichlich Punk dabei. T. aus HH schwärmte mir schon so oft von dieser Kapelle vor, und jetzt seh' ich die doch vor dem, stark. Und auch Frost, Pisse & Elend sind übelst angepisst von der Welt und schreien das gekonnt in den Äther der Erde. Black Metal und Nazis, das ewig anstrengende Thema, wird genauso angeprangert wie die Festung Europa.
Aber einfach "nur" Black Metal tut der Band etwas unrecht, da mischen sich so viele Stile rein. Von Deathpassagen über astreine Metalsoli von Feli an der Gitarre, die mit ihren Backingvocals das Ding echt gut abrundet und gerne noch mehr das Mikro kaputtschreien darf. Unfassbar, was ein Organ, hört euch den markerschütternden Schrei in A Canvas for Scars an. Und dann noch so fix die Riffs raushauen. Da steckt echt viel METAL im Black Metal.
 Bin hin und weg. Drumming geil, schnell, abwechslungsreich, der Bass blubbert und drückt und der Sänger, der ist beim Auftritt vollkommen im Wahn und bei den Ansagen, vor allem wenn der Orga, der Küche, usw. gedankt wird, so nett.
Das pure Böse, und wen hat er dabei angeguckt?
"Doch nicht mich, bitte nicht?!"
Doch, denn die blaue Stunde bricht an, und dann heulen wir alle gemeinsam den Mond an und fressen die Faschisten auf. Wär jedenfalls geil. Puh, Frost, Pisse & Elend sind stark. Erstmal runterkommen, aber viel Zeit bleibt da ja kaum!
Eigentlich kam "Drei Farben: Rot" nach weiß und nicht nach blau, aber heute sahen wir über diesen Kontinuitätsfehler mal hinweg und waren gespannt, was WELK aus Leipzig als vorletzte Band so aufs dunkle Parkett zaubern. Fest steht: Welk sind mit Abstand die vielseitigste Band des Abends. Klar, irgendwie auch Black Metal als Grundgerüst, aber dann gibt's hier mal 'ne Screamopassage, da einen Hardcorepart oder atmosphärische Gitarrenintermezzi. Trotzdem, hört euch mal die Mahr bei Bandcamp an. Allein der Gesang beim ersten Song und diese Brutalität, Wahnsinn.
Wirklich fähige Musiker mit vielen guten Ideen, um ein aus dem  Shoegaze-/Post-BM rauszustechen. Mir manchmal vielleicht etwas ZU vertrackt, ich mag's gern atmosphärisch oder den klassischen Stakkatokellersound, aber das überzeugt auf ganzer Linie. Vielleicht liegt's auch an der Dunkelheit, dass das einem so heftig die Rübe wegdrückt? Und alle bisher brav im Zeitplan, verrückt.
Dann war es auch schon Zeit für die letzte Band, die friesischen Atmo-BM-Menschen von FRIISK. Gniedelgitarre, klagender Gesang, der die depressive Stimmung einem ins Gesicht klatscht und mäandernde Soundteppiche, so lieb ich das. Der Band ist zuletzt mit der "…Un Torügg Bleev Blot Sand" ein fantastisches Album gelungen. Stellt euch vor, ihr steht im Sturm an der See, Schiffe gehen unter, Dörfer versinken in den Fluten, der Wind dröhnt in den Ohren, das sind Friisk.
Gesangspassagen zwischen clean und klagend und Geschrei und Wut. Teils plattdeutsche, teils saterfriesische Texte ummalen diesen Gesamtkunstwerk eindrucksvoll, und zeigen, dass Black Metal nicht immer neu interpretiert werden muss, sondern dass allein über die Stimmung aus althergebracht ein relevant und spannend wird. Boah, was freu ich mich schon auf den Herbst und den Winter. Darauf ein dreifaches "Uh!". Oder wie viele waren das bei Friisk in jedem Song? Wurde mitgezählt?
Fazit? Eine Reise durch die Crust- und Black-Metal-Landschaft, die zeigt, wie vielseitig diese Musikrichtungen doch sein können. Ein Festival, das sich ernst nimmt und professionell ist aber das niemals so richtig zur Schau stellt, steht doch für alle der Spaß im Vordergrund. Tolle Atmosphäre, großartige Orga, viele nette Menschen um einen herum und danke nochmal an Moritz für den Flyer. Bis zum One Louder! noch nie gesehen und dann innerhalb von einer Woche mit all seinen drei Bands. Stark. 

Und denk dran: NSBM ist grundsätzlich kacke und Grauzone nicht viel weniger. Uh!

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Julian/Barbara

09.08.2022 06:22
Hey, cooler Beitrag :) kannst du uns die Fotos von unseren Hunden schicken? Liebe Grüße von Barbara und Julian aus'm Brook

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