Molly Punch und Notgemeinschaft Peter Pan, 21.10.2022 in Düsseldo...

Juchheisa! Die Notis are back on tour. Das ist eine wundervolle Nachricht, nachdem wir es seit Pandemie-Beginn nicht ein einziges Mal geschafft haben, uns auch mal außerhalb einer solchen zu sehen (außer offenbar einmal mit Sänger Stemmen, höre ich gerade aus dem Hintergrund rufen - aber das ist auf jeden Fall auch schon ne gefühlte Ewigkeit her und daher längst aus den zugreifbaren Gehirn-Regionen verdrängt). Dass sie dann auch noch in einer der tollsten Läden, zusammen mit einer der von uns derzeit am meisten abgefeierten Band, auftreten, vergrößert die Vorfreude noch einmal. Einzige Sorge: Meine verdammten Augen. So sehr ich mich auch freue, dass endlich auch wieder in diversen kleinen DIY-Schuppen was geht, so sehr ist das inzwischen leider für mich auch immer ein kleines Risiko, da man in dem einen oder anderen zwangsläufig mit Nikotinqualm konfrontiert wird. Und genau dieser ist leider Gift für meine Augen und fördert für mich die Gefahr der Erblindung. Zwar hat meine Augenärztin mich jetzt tropfentechnisch so eingestellt, dass sie mit meinen Werten zufrieden ist. Doch das Restrisiko spielt immer noch mit und so fällt es mir zunehmend schwer, mich vollkommen entspannt zu solchen Abenden auf den Weg zu machen. Am Ende ist die Freude auf das Wiedersehen natürlich dennoch größer als die Vernunft, Angst oder nennt es wie Ihr wollt.

Da es im Vorfeld offenbar irgendwas zwischen Unklarheit und Kommunikationsprobleme gab, war zudem geplant, die Notis über Nacht zu beherbergen. Da kommt es mir zu Gute, dass ich damals in unterirdischen Gängen meiner alten, noch rechtzeitig vor der Pandemie geschlossenen veganen Pinte (aka Kultur- und Musikkneipe/-café/-bistro) namens The Curly Cow, heimlich Räume errichtet habe, in denen explizit die Notgemeinschaft in solchen Notsituationen nächtigen kann. Der Tunnel dorthin ist schnell freigelegt und siehe da: Sogar der Tisch, respektive die Theke, ist noch gedeckt. Krass.

Doch dann stellt sich wenige Stunden vor dem Gig heraus, dass doch in 3km Entfernung zum AK Pennplätze warten. Mehr als verständlich, dass diese mehr Sinn für ne tourende Band machen, als nochmal ne Stunde über diverse Autobahnen in unser Kaff zu düsen. Die Folge davon: Ich esse alles selber auf, bevor wir los düsen. Entsprechend geht es meinem Bauch. All das tutet der Wiedersehensfreude jedoch keinen Abbruch und nahezu pünktlich um 21:30 Uhr, einer Zeit, in der ich meistens meinen Schlaf schon wieder aushabe, geht es endlich los. Hell yeahy!

Auch wenn die Räumlichkeiten nicht so gefüllt sind, wie man es von manchen Tagen "vor dem ganzen Scheiß" gewohnt ist: Es ist ein Fest. Die Band hat sichtlich Bock. Wir haben sichtlich Bock (bei mir am wippen und nicken zu erkennen, bei Sabbi am hin- und herspringen). Volker hinterm Mischpult hat es offenbar auch und zaubert einen tollen Sound daher. Von den Lichteffekten mal ganz zu schweigen.

Und die altbekannten Fressen lungern hier auch noch rum, was eine zusätzliche Wiedersehensfreue garantiert. Auch wenn ich ein paar Düsseldorfer:innen vermisst habe. Apropos Düsseldorfer(-Süd, hrrhrr): Gute Besserung, lieber Rxxx!

Neben tollen Texten haben die Notis auch immer tolle Ansagen zu bieten. Antifaschismus wird wie immer ganz groß geschrieben. Und auch so wichtige Themen wie Diversität auf und vor der Bühne werden mit guten Worten bedacht. Darüber hinaus bringen sie immer ein paar Menschen mit. Menschen, die nicht mehr unter uns weilen. Die Notis sorgen dafür, dass wir etwas über diese Menschen erfahren und ihnen gedenken können. Wir sehen sie auf kleinen Bannern, die über den Boxen hängen. Das ist bei jedem Mal ein Gänsehautmoment für mich. So sehr die musizierenden Protagonisten für mich auch für Spaß und Freude - vor und neben der Bühne - stehen, so schafft Sänger Stemmen es jedes Mal aufs Neue, die Aufmerksamkeit auf solche ernste Themen zu lenken und dem Publikum was mitzugeben.

Heute gedenken sie unter anderem der kurdischen Arbeitsmigrantin Semra Ertan, die eine bewegende Geschichte hinter sich hat, an dessen Ende ein tragischer Suizid steht. Unmittelbar davor rief sie beim NDR und beim ZDF an, wo sie ihr Gedicht "Mein Name ist Ausländer" vortrug und ihren Suizid ankündigte (unter gleichem Titel gibt es inzwischen auch ein Buch, in dem die Werke Semrans 18 Jahre nach ihrem Tod veröffentlicht wurden). Die öffentliche Selbstverbrennung Semra Ertans ereignete sich in den frühen Morgenstunden des 24. Mai 1982 an der Kreuzung Simon-von-Utrecht-Straße/Detlev-Bremer-Straße im Hamburger Stadtteil St. Pauli und konnte trotz der Ankündigung nicht verhindert werden. Als Grund nannte Semra die zunehmende Ausländerfeindlichkeit, die ihre Verzweiflung so weit trieb, dass sie sich bewusst entschloss, vor den Augen der deutschen Öffentlichkeit zu sterben. Es dauerte (viel zu viele Jahre) bis diese Geschichte auch innerhalb antifaschistischer Gruppen würdige Beachtung im Sinne von öffentlicher Thematisierung erhielt. Die Notgemeinschaft trägt ihren Teil auf dieser Tour dazu bei. Vielen Dank dafür!

Den Bogen zurück zur "abendlichen Unterhaltung" zu finden ist nicht leicht. Die Notis schaffen das dennoch wie gewohnt und auch wir können uns vor Ort nach diesen bewegenden Worten weiter an den Klängen erfreuen.

Die größte musikalische Hürde wartet für die Band erst ganz am Ende des Sets. Denn irgendwie muss sich im Laufe der Jahre etabliert haben, dass die Band bei Sabbis Anwesenheit den Song "Fensterfarben" - weil persönliches Lieblingsstück und so - zum besten gibt. Wer bis hierhin nicht wieder zum lachen zurück gekehrt ist, tut es jetzt. "Man war sichtlich bemüht", aber dafür, dass das Stück seit Jahren nicht mehr geprobt wird, war die Darbietung um so famoser und der Respekt umso größer. Ich richte über diesen Weg auch nochmal den herzlichen Dank aus.

Umbaupause, Luft, Bier und wieder rein. Teil 2 des Abends und ab der ersten Sekunde feiern wir weiter ab.

Ein paar mehr Leute sind noch gekommen und wir sind einmal mehr von Molly Punch begeistert. Ganz viel Energie, tolle Songs, aufsaugen pur ist angesagt.

Wir sind uns schon während des Gigs einig: Nasse Unterhosen sind immer ein klares Zeichen dafür, dass es großartig ist. Ob das nun der Schweiß vom tanzen ist, wir uns vor Begeisterung eingenässt haben oder wir uns die Indizien gar teilen. Ihr werdet es nie erfahren!

Mit länger werdendem Zeitstrahl steigt auch der Nikotingehalt in der Luft und ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir gerade rundum gut geht. Doch das Trio fesselt mich dermaßen, dass ich bis zum Ende des Gigs trotzdem begeistert ausharre. Auch an Euch herzlichen Dank! In solchen Läden sind solch tolle Bands noch X mal geiler als sonstwo.

Poahr, ist das spät geworden. Also für mich persönlich. Erst gegen halb zwei (ja, Nachts!!) sind wir trotz Autofrequentiererei wieder zu Hause. Halb zwei, ohne Scheiß: Da hab ich tatsächlich in letzter Zeit häufig schon meinen Schlaf aus und wälz mich noch ein paar Stunden rum, bis ich endlich aus dem Bett falle. Dafür ist der Bericht jetzt schon fertig. Wenn Fö den auch erst in ein paar Wochen hochladen wird. Gute Nacht!

[Anm. Fö: Höre ich da Kritik? Zeit für ein Personalgespräch!]

Molly Punch und Notgemeinschaft Peter Pan, 21.10.2022 in Düsseldorf

Kommentar eintragen: