Adultz, Bad Cat Society, 29.04.2023 in Moers, THS 56 - Bericht von poly
Adultz, 29.04.2023 in Moers
Die Nacht vor der Walpurgisnacht, sozusagen der Tanz in den Tanz in den Mai. Was könnte da besseres passieren als zwei Duisburger Nachwuchssterne am Punkerhimmel in nahezu unmittelbaren Umfeld eines Maibaumes zu hören und zu sehen. Diese Maibäume standen früher jedes Jahr in den Dörfern, aus deren Umfeld ich das zweifelhafte Glück hatte, entsprungen zu sein. Vollgehängt mit Werbetafeln der ortsansässigen Handwerker*innen zeigte selbst diese Tradition die mittlerweile nahezu unmittelbare Verschmelzung von Kapitalismus und äh Tradition. Erst saufen, dann tanzen, in der Regel natürlich gleichzeitig, anschließend der fachgerechte Einbau einer neuen WC-Schüssel. Selbst heute, 30 Jahre später, könnte ich sofort in bzw. neben selbige brechen, sobald ich an die ganzen Dorftraditionen denke. Die Abneigung dagegen ist in Schichten meiner Person gespeichert, welche nicht mehr zu erreichen sind. Ich schweife ab. Zuerst einmal muss der Auftrittsort erreicht werden.
Ein kurzer Check-up im World-Wide-Web ergibt zuerst, dass die ländliche Gegend mittlerweile vollständig dort erfasst ist. Gut, wir haben 2023 und nicht 1987. ÖPNV dauert irgendetwas mit zwei Stunden, mit dem Auto sind es 12 Minuten. Lass mich kurz überlegen. Währenddessen lande ich zufällig in der Instagramstory der Adultz (adultz.band) und erfahre, dass diese sich momentan im Bus nach Nirgendwo befinden. Schnell lehne ich mich zurück und beschließe, die gesparten 1.48 Stunden möglichst sinnlos zu verbringen.
Gegen 19.32 Uhr, Zeit zum Aufbruch. Die Spannung, in was für einem Club das Konzert stattfinden wird, steigt, aber zuerst einmal Autobahn. nachdem ich diese verlassen habe, werden die Straßen immer schmaler, die Häuser immer einfamiliger und zu konsumieren gibt es nichts mehr, keine Bude weit und breit. Hier und da blinzelt mich eine Werbetafel der örtlichen Klempner*innen an. Zielort erreicht. Ich parke auf einem feldwegähnlichen Streifen Erde und schaue mich um. Ein großes Wohnhaus zur rechten, ein Bauernhaus zur rechten. rechts vom Haus hängt ein Schild, Fest steht dort drauf. Draufhauen? Zwei Leute kommen um die Ecke, sehen mich und winken. "Ja, Du bist hier richtig". Ich streife den Pferdeapfel vom Schuh und bewege mich beherzt Richtung Eingangstor. WARNUNG VOR DEM HUND.
Entgeistert bleibe ich stehen, starre über das Tor auf den Hof und erblicke einen leeren Hundekorb. Wie aus dem Nichts erinnere ich mich an damals vor mehr als 35 Jahren. Ich war beim Zeitungsaustragen, unten im Dorfe, bei den Bauernhäusern. Die einen hatten sich beschwert, dass die Zeitung nie ankommen würde, ok, ich hatte mir die Bauern auch immer gespart, ich dachte, die haben genug zu tun, außerdem, wer will diesen Dreck schon lesen. Kann ich doch nichts dafür, wenn mir Geld dafür gezahlt wird, Papiermüll zu entsorgen. Ich stand also an diesem Bauernhof, den Zeitungsstapel in der Hand, öffnete das Hoftor und schlich zur Haustür. Ehe ich mich versah kam der Hofhund und biss mir in die Wade. Ich weiß nicht mehr, ob es weh tat, ich weiß nur noch, dass ich extreme Angst hatte, den Stapel fallen ließ, was den Kiefer des Hundes lockerte und mir die Gelegenheit zur Flucht gab. Mein Verhältnis zu Hunden sollte nie wieder das Selbe werden.
Ich reiße mich aus der Erinnerung und zwinge mich, nach einem weiteren Rundumblick, dass eherne Tor zu öffnen. Schleunigst laufe ich über den Hof, am immer noch leeren Korb (wo ist er bloß?) vorbei, um die Ecke und erblicke eine Horde Punker*innen, die sich um eine noch nicht entzündete Feuerstelle gescharrt haben. Für einen Moment werde ich angestarrt, aber alles ist besser, als gebissen zu werden. Ich erblicke eine Bekannte und gliedere mich unauffällig in das Geschehen ein.
Die anwesenden Punks sitzen vor einem weißen Häuschen, was einst wahrscheinlich eine Scheune gewesen ist. Ich erkundige mich nach dem Hund, hat ihn schon jemand gesehen, wie groß ist er eigentlich? ich werde beruhigt, er sei total lieb (Das sagen die doch alle). Das klingt jetzt zwar an den Haaren herbeigezogen, aber ungefähr zehn Minuten nach meiner Ankunft ertönt sehr lautes Gebell, nicht nur der Hofhund ist aufgetaucht, ein anderer Gast hat seinen besten Freund ebenfalls dabei. Zwei riesige Hunde, jeweils gehalten von ihren Besitzer*innen (?), wollen sich wohl artgerecht guten Tag sagen. Ich beschließe umgehend (natürlich), in die Scheune zu gehen und. Ja nichts und, auch drinnen (in Sicherheit?) ist das Gebelle zu hören. ich warte, bis es vorbei ist und traue mich dann wieder nach draußen. Es ist nur noch ein Hund zu sehen, der relativ friedlich rumliegt oder so. ich setze mich in den größtmöglichen Abstand und warte (auf das Konzert und was noch so passieren könnte).
Die Adultz sind eine junge Band aus Duisburg und spielen heute ihr viertes Konzert. Die beiden Frontfrauen, Miri und Leyla, spielen Gitarre und singen, kreischen, schreien. Am Bass gibt es den Jeremy und am Schlagzeug sitzt Nils. Heute sehen ich sie zum zweiten Mal. Der Sound ist vielfältig, Einflüsse fangen bei Flipper an, streifen Sonic Youth, neuere Bands wie the chat könnten auch noch genannt werden. Irgendjemand sagte mir etwas von Gr*nge, diese Bezeichnung kann ich weder akzeptieren noch verwenden. Hat Kurt Cobain nicht auch Flipper gehört?
Die Adultz spielen wirklich, als ob der Teufel hinter ihnen her wäre. Leyla lebt vor allem bei den punkigen Songs total auf, schreit in ihr Mikrofon, ist manchmal kurz davor, es zu verschlucken. Ich muss an the germs denken, Helden von mir, auch diese haben ja einen späteren Bezug zum Cr*nch.
Miris noisige Gitarre ist heute leider ein wenig zu leise, sie musste diese herunterdrehen wegen unerklärbarem Feedback. Das ist vielleicht der einzige Wermutstropfen bei einem ansonsten grandiosen Auftritt. Es gibt auch keine blöden Ansagen, die Kommunikation mit dem Publikum findet auf Augenhöhe statt. Dieses feiert die Adultz frenetisch, obwohl ich gefühlt der Einzige bin, der sie schon mal gesehen hat. So beginnen Karrieren...Da sie keine weiteren Songs mehr haben, das Publikum aber vehement einen weiteren verlangt, sie sich aber nicht wiederholen wollen, spielen sie ein Cover von den genannten chats. Auch das ist perfekt, die Band reitet die Welle zu Ende, ohne nass zu werden.
Nach dem Auftritt ist meine Hundeangst wie verflogen, ich verlasse die Scheune und setze mich nach draußen (war da was?). Schnell wieder rein. Auf der Bühne bereitet sich bereits die nächste und letzte Band des Abends vor. Bad Cat Society, deren Schlagzeuger Axel ich bereits von der Band Black Hole Bomb kenne. Axel, Lifer und Teilzeitinternetpersönlichkeit, seine Kommentare sind häufig entweder treffend, verwirrend oder beides, spielt sich auf dem Keyboard warm, ich kannte den Song, habe es aber jetzt, zum Zeitpunkt des Aufschreibens, vergessen. Egal.
Objektiv gesehen werden mindestens 90 Prozent der Menschen sagen, die Musik der Bad Cat Society ist totaler Schrott. Denen entgegnete die Band direkt zu Beginn, ohne das welche von ihnen anwesend gewesen wären, recht erfrischend, wie scheißegal ihnen diese Sichtweise sei. F.O.A:D. hättest Du damals gesagt, heute kommt das weniger phrasenhaft sondern eher authentisch ablehnend daher. Die Urwüchsigkeit, die Punk eigentlich bedeutet, im Grunde darauf zu scheißen, was erwartet wird und dann halt was-auch-immer musikalisch zu unternehmen, wird von der Bad Cat Society nahtlos ins 21. Jahrhundert transformiert.
Ich gehe Dir auf die Nerven. Gut so. Dann komm halt nicht wieder oder halt Dein Maul. So lautet übrigens der Titel von ihrem heimlichen Hit. Neben "Arme Sau", einem Song über die Gewaltenteilung, sticht auch noch "Bomben" hervor, inhaltlich eher kulturpessimistisch.
Es gab noch ein paar weitere Hits und ein Cover von Napalm Death. Klar, You Suffer, aber was sag ich, sehr nah am Original. Die Bad Cat Society ist sehr geeignet dafür, eine eigene Gesellschaft oder meinetwegen auch die 9. Stadt zu beschallen oder besser noch zu bespaßen. Ich fand es nicht nur gut, sondern auch lustig.
Der Abend war zu Ende, ich war glücklich. meine eindeutige Empfehlung lautet, sich beide Bands so schnell als möglich anzusehen und sich zu erfreuen. Ob an richtig guter Musik oder an richtig guter Attitüde, beides macht Spaß. Die Adultz spielen am 06.05. im AZ Mülheim, gemeinsam mit zwei anderen Bands. Von der Bad Cat Society finde ich kein aktuelles Datum (bad.catsociety)
Deine Eingaben werden bis auf Widerruf gespeichert und für Nutzer der Seite sichtbar. Die Angabe der Email-Adresse ist freiwillig und sie bleibt nur sichtbar für eingeloggte Nutzer. Weitere Infos in unserer Datenschutzerklärung.
Zu den meisten Berichten werden nur ausgewählte Fotos verwendet.
Falls du mehr oder größere Bilder haben willst, wende dich an den Autor (poly) oder nutze das Kontaktformular.
Dort kannst du dich auch melden, falls du mit der Veröffentlichung von Fotos, auf denen du zu sehen bist, nicht einverstanden sein solltest oder dich gar die Kommentare persönlich verletzen...
