Punx Picnic Tag 1, 01.09.2023 in Neubrandenburg

Kein gutes Wochenende für Festivals, möchte man meinen, nachdem sowohl das Save The Scene als auch Off The Radar abgesagt wurden. Aber es gibt ja immer noch diese kleinen Glanzlichter lebendiger DIY-Kultur wie in Neubrandenburg das Punx Picnic. Melle und ich waren letztes Jahr da, als das Festival spontan nach drinnen verlegt wurde und die Begleitumstände eh andere waren (da war noch diese Pandemie). Dieses Jahr ist Zelten wieder erlaubt, das Lineup kann sich auch sehen lassen, also warum nicht hin? Meine Entscheidung fällt trotzdem relativ kurzfristig, aber da Coco und Hörm eh schon Züge gebucht haben, fällt es auch nicht weiter schwer, mich anzuschließen.

Trotz Zugverspätung und Zugverpassung sind wir die ersten, die auf diesem monströsen Campingplatz ihre Zelte im Erdboden verankern. Die Qual der Wahl: Lieber da unter den Baum, in den Schatten? Oder da unter den anderen Baum, in den Schatten?

Wenn ich das richtig mitgekriegt habe, war das Planungsteam dieses Jahr nur 4 Personen stark - vor Ort natürlich deutlich mehr. Und alle saunett! Dass hier wert darauf gelegt wird, dass auch die Besucher*innen nett zueinander sind, sorgte für ein paar unflätige Kommentare in den sozialen Netzwerken, so dass die Kommentarfunktion kurzerhand ausgestellt werden musste. Was ist bloß los mit den Leuten?

Bevor es richtig los geht, kurz mal am Tollensesee vorbeischauen. See und Strand sind etwa 2 Minuten Fußweg vom AJZ entfernt. Was ein Luxus! Wetter heute ist leicht bewölkt, aber naja, immerhin nicht son Unwetter wie letztes Jahr.

Voll schön hier! Die Beatpoeten werden uns später erzählen, dass sie am Tollensesee das Coverfoto ihres Albums "#Geheul" geschossen haben. Die genaue Stelle finden wir nicht, wollen ja noch Aufgaben für euch übrig lassen.

Wieder am Gelände, fällt auf, dass noch keine Band spielt, und wenig später fällt auf, dass Torpedo Dreigang abgesagt haben und LOBSTERBOMB später anfangen. Diese erzählen dann auch, dass sie 4 Stunden von Berlin hierher gebraucht haben. Wir sind in dem Moment sehr froh, mit der Bahn gefahren zu sein.

LOBSTERBOMB waren mir zuvor nur den Namen nach ein Begriff. Ist auch ne recht neue Band. Musik zwischen Pop-Grunge und Indie-Punk. Ansagen auf deutsch und englisch, ganz multinational also. Besonderheit: Zwei Gitarren, kein Bass.

Guter Auftakt, allzu viel bleibt aber nicht hängen. Zudem macht sich bemerkbar, was wir auch den restlichen Abend noch spüren werden: soundmäßig ist heute irgendwie der Wurm drin. Quasi durchgehend lärmt irgendein Feedback-Ton durch die Boxen, dessen Herkunft nicht ermittelt werden kann.

Die nächste Band nennt sich SCHNURRBARTKUMPELS. Auch noch nie gesehen, der Name der Band mir tatsächlich schon recht lange ein Begriff, ist das doch die Band von Schimmel, der tatsächlich vor vielen Jahren mal die Frechheit besessen hat, Betrunken im Klappstuhl auf das Punx Picnic zu buchen. Auweia! Ansonsten taucht er evtl in irgendwelchen alten Kollege-Berichten auf. Die Schnurrbartkumpels erstaunlicherweise nicht. Heute wär die letzte Chance gewesen, es handelt sich nämlich um das Abschiedskonzert!

Geboten wird dödeliger Suff-Deutschpunk mit 2 politischen Ansagen. Eine gegen die AfD-Gegendemo am 4.11., eine gegen so Verschwörungserzählungen. Gut auch, dass nach dem Song über Verschwörungskram wat gegen Politiker kam. Immer druff da! Kann mich ansonsten an Coversongs erinnern ("Bullenwagen klaun" - top!) sowie die phänomenale Aussage "Keine Namen, keine Pronomen", der Zusammenhang ist mir entfallen.

Es gibt diverse Gimmicks wie Transparente, Papp-Schnurrbärte und auf Amazon-Paketpappen gekritzelte Songtexte. Hier, bitte auswendig lernen für die Schnurrbartkumpels-Reunion.

Zwischendurch wurde noch gefragt, wer Geburtstag hat, und diese Personen (die das nicht per Perso nachweisen mussten!!!11) bekommen je eine Dose Bier. Als sie diese bereits geöffnet und dran genippt haben, fällt der Band ein, darauf aufmerksam zu machen, dass eigentlich ein Dosenstechen-Wettbewerb geplant sei, für das aber das richtige Instrumentarium fehlt, wessen sie kurzerhand einen Preis ausgeben für die schnellste leere Dose. Der Preis ist: Eine volle Dose! Als Trostpreis gibt es ein Nackenkissen. Beides sehr fair.

Geht weiter mit BRIEFBOMBE! Ich wage das mal vorwegzunehmen: Mein Highlight des Abends. Kurze Songs über die wirklich wichtigen Themen, wie Versanddienstleistungsunternehmen und die zahlreichen Probleme, die sie mit sich bringen. Thommy, der zuvor noch beim Dosen-Nicht-Stechen-Wettbewerb den dritten Platz gemacht hat, steht nun wie eine Eins auf der Bühne, was umso bewundernswerter ist, da er eigentlich gerade auf Krücken unterwegs sind. Aber wie das halt so ist im Versanddienstleistungsgewerbe, auch schwerverletzt und lädiert muss abgeliefert werden!

Gibt auch zwei neue Lieder zu hören, das Album wird angekündigt, dann aber festgestellt, dass sich noch nicht auf einen Titel geeinigt wurde, weswegen diese Information erstmal unter uns bleibt. Ein neuer Song heißt "Götterbote Hermes", wozu eine weise Person aus dem Publikum zu ergänzen weiß, dass Hermes auch Gott der Diebe war, was Briefbombe vor die Misere stellt, dass sie zuvor doch noch einen Song darüber gespielt haben, wie man bei Zalando klaut. Echt nicht so einfach das alles!

Der andere neue Song heißt "Brieffroindschaft" und handelt von Brieffreundschaften zwischen Punks und Skins, und es ist ein mordsmäßiger Hit. Oi Oi Oi! Bitte auskoppeln, Singles-Charts stürmen. Die alten Songs sind auch alle geil, wollte ich nur mal erwähnen. Die Ansagen auch. Liebe Grüße. Statt "Zugabe" brüllt das Publikum am Ende "Zusendung", was die Band in die unangenehme Position bringt, auf diesen mordsmäßigen Gag gar nicht NICHT reagieren zu können.

Block von oben, Dunkel. Es gibt eine No-Photo-Policy, wie mir irgendwann gewahr wird. Schreibt mir bitte, wenn ich Bilder löschen soll. Ich hab mich extra bemüht, ausschließlich schlechte Bilder zu machen! Keine Namen, keine Pronomen, keine Hochglanzfotos!

Weiter mit TREMØRE. Ich bin drauf reingefallen und dachte wegen dem Ø, die kämen irgendwo aus Skandinavien, tatsächlich kommen sie aber aus Berlin. Naaja, egal.

Musik ist so Geknüppel-Hardcore aus dieser Gemengelage Powerviolence, Fastcore und anderer Musikstile, die ich nicht auseinander halten kann. Texte auf deutsch, und trotz Geknüppel kann man sich das echt ganz gut anhören.

Ich find's tatsächlich cool, was da aus den Boxen schallt, bin nur echt irritiert, was die Wrestlingmaske soll. Zumal der Luchador den Bass so funky slappt und dazu Grunzlaute ins Mikro brüllt, was die Musik irgendwie in komplett andere Bahnen lenkt. Gewöhnungsbedürftig, aber besonders.

Sie bereiten uns lange darauf vor, dass auch noch ein Open-Mic-Part kommt. Tatsächlich spielen sie zwei Lieder, zu denen es noch keinen Text gibt, und dazu wechselt die Gesangsperson ans Schlagzeug und überlässt das Mikro der freien Verfügung. Klappt beim ersten Song sehr gut, beim zweiten eher zaghaft. Vielleicht kam ja genug Inspiration für die endgültigen Aufnahmen zusammen.

Anschließend EASTIE RO!S. Auch ne gute Band! Zu hören gibt es Punk, starke 77er Prägung, deutsche Texte, wodurch natürlich hier und da der Shocks-Vergleich im Raum steht. Naja, immerhin kein Tote-Hosen-Vergleich.

Macht irre Bock, dem Schlagzeugspiel zuzuschauen. Musik ansonsten auch ganz cool, schön zackig-tanzbar, da muss man halt irgendwie mitzucken. Ansagen dezent, aber wirkungsvoll ("wir sind die Band, ihr seid das Publikum")

Macht Laune, gute Band! Auftritt geht schnell vorbei. Ob gefühlt oder wirklich weiß man nicht, aber sie selbst gaben zu Protokoll, sich beeilen zu wollen, damit die Beatpoeten noch dran können. Tatsächlich hat der Zeitplan mittlerweile ne knappe Stunde Verzug und rückt verdächtig nah an den Curfew.

Und so beginnen die BEATPOETEN jeden Song mit dem Hinweis, dass sie nur noch 2 Minuten Spielzeit haben. Auch ein starker Running Gag. Selbst scheinen sie auch sehr getrieben davon zu sein, uns in diesen 2 Minuten voll auf ihre Seite zu ziehen - was sogar gut klappt! Die Leute kommen nach vorne, tanzen, und singen sogar mit.

Ich wusste gar nicht, dass die Beatpoeten sogar bekannt genug sind, dass Leute mitsingen. Aber sind ja nicht zum ersten Mal hier, das gibt Heimvorteil, trotz weiter Anreise. Die Songs inklusive Texte sind stark. Falls man das nicht sieht: Es gibt Elektrogebimmse und darüber wird gesungen und gebrüllt und sehr häufig Punk-Bezug hergestellt. Wunderbar.

Meistens gehen die Lieder ineinander über, was dem Auftritt auch eine astreine Dynamik verleiht. Wenn ich jetzt noch die Lieder kennen würde, wäre alles geil. Aber naja. So geht der Abend dem Ende entgegen und nach einem kurzen Abstecher in die Karoke-Hölle freue ich mich auf die bequeme Isomatte. Gute Nacht, bis morgen!

Kommentar eintragen: