Vergessene Arbeitskämpfe - Ein Punk-Abend: Messed up & Diensthund, 21.12.2023 in Berlin, Roter Salon - Bericht von schengül
Vergessene Arbeitskämpfe - Ein Punk-Abend: Messed up & Diensthund, 21.12.2023 in Berlin
Die Beschreibung des Abends lautete wie folgt:
"Dem Arbeitskampf beim Neusser Automobilzulieferer Pierburg im Jahr 1973 ist der Punk-Abend im Dezember gewidmet: Hier streikten ausländische und deutsche Arbeiter:innen für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Mehr Gleichberechtigung im Blick, nahmen die migrantischen Frauen eine starke Position ein, für mehr Fairness. Dieser Streik steht für einen Moment gelungener Migration und einen Schritt für geschlechtliche Gleichstellung.
Live auf der Bühne stehen Messed Up und Diensthund [...]"
Vier Sachen machten den Abend sehr reizvoll: 1. Bands, die ich noch nicht gesehen habe (Messed up) bzw. nicht kenne (Diensthund, was ist das überhaupt für ein Name?!), 2. Endlich mal wieder im Roten Salon, in dem ich das letzte Mal vor ca. 15 Jahren auf einer Drum'n'Bass-Party war und eigentlich als schöne Location in Erinnerung hatte, 3. Neuss, wo die Proteste damals stattfinden, da komm ich wech und das steigerte nochmal die Neugierde und 4. hatte ich bis zuletzt nicht gewusst bzw. verstanden, was uns da erwartet: Gibt's einen Vortrag, eine Podiumsdiskussion oder was passiert da?
"Dem Arbeitskampf beim Neusser Automobilzulieferer Pierburg im Jahr 1973 ist der Punk-Abend im Dezember gewidmet: Hier streikten ausländische und deutsche Arbeiter:innen für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Mehr Gleichberechtigung im Blick, nahmen die migrantischen Frauen eine starke Position ein, für mehr Fairness. Dieser Streik steht für einen Moment gelungener Migration und einen Schritt für geschlechtliche Gleichstellung.
Live auf der Bühne stehen Messed Up und Diensthund [...]"
Vier Sachen machten den Abend sehr reizvoll: 1. Bands, die ich noch nicht gesehen habe (Messed up) bzw. nicht kenne (Diensthund, was ist das überhaupt für ein Name?!), 2. Endlich mal wieder im Roten Salon, in dem ich das letzte Mal vor ca. 15 Jahren auf einer Drum'n'Bass-Party war und eigentlich als schöne Location in Erinnerung hatte, 3. Neuss, wo die Proteste damals stattfinden, da komm ich wech und das steigerte nochmal die Neugierde und 4. hatte ich bis zuletzt nicht gewusst bzw. verstanden, was uns da erwartet: Gibt's einen Vortrag, eine Podiumsdiskussion oder was passiert da?
Empfangen wurden wir von einen riesigen Transpi. Im gerade etwas abgeflautem Sturm machte das riesige Ding an der linken Seite der Volksbühne schon gut Eindruck und flatterte majestätisch vor sich hin.
Wir waren natürlich wieder mal viel zu früh da, aber da als Beginn 21 Uhr angesagt war (stimmte berlintypisch nicht), hatten wir noch Zeit, uns zu akklimatisieren. Anfangs noch fast alleine, füllte sich der Raum langsam aber sicher und ich hörte von irgendwo "ausverkauft". Das freut einen doch sehr für die Veranstalter*innen!
Wir waren natürlich wieder mal viel zu früh da, aber da als Beginn 21 Uhr angesagt war (stimmte berlintypisch nicht), hatten wir noch Zeit, uns zu akklimatisieren. Anfangs noch fast alleine, füllte sich der Raum langsam aber sicher und ich hörte von irgendwo "ausverkauft". Das freut einen doch sehr für die Veranstalter*innen!
Dieses Bild entstand in der Umbaupause zwischen Diensthund und Messed Up. Man verzeihe mir die Anachronie. Aber so lässt sich das Konzept der Veranstaltungsreihe ein bisschen besser veranschaulichen:
Vor und während der Konzerte lief eine Diashow von Fotos von den Arbeitskämpfer*innen damals in Neuss. Außerdem gab es einen Fernseher, der mit Kopfhörern versehen war und wohl anhand einer Dokus den Arbeitskampf audiovisualisierte. Und dann gab es noch an einer Wand - ich glaube - Poster zu sehen, die höchstwahrscheinlich weitere Infos zeigten. Also kein Vortrag oder ähnliches, was ich persönlich ein bisschen schade fand.
Dafür kamen vor dem ersten Konzert zwei Menschen auf die Bühne, die über den Streik von Fabrikarbeitenden (das Land habe ich leider vergessen) gegen die offensichtlich menschenverachtenden Arbeitszustände beim High-End-Stifte-Hersteller Montblanc berichteten und dazu aufriefen, in den nächsten Tagen zur Demo gegen eben diese Zustände vor dem Montblanc-Laden in der Friedrichstraße zu kommen.
Insgesamt war das Publikum sehr angenehm und - wenn ich das richtig einschätze - stark politisiert.
Vor und während der Konzerte lief eine Diashow von Fotos von den Arbeitskämpfer*innen damals in Neuss. Außerdem gab es einen Fernseher, der mit Kopfhörern versehen war und wohl anhand einer Dokus den Arbeitskampf audiovisualisierte. Und dann gab es noch an einer Wand - ich glaube - Poster zu sehen, die höchstwahrscheinlich weitere Infos zeigten. Also kein Vortrag oder ähnliches, was ich persönlich ein bisschen schade fand.
Dafür kamen vor dem ersten Konzert zwei Menschen auf die Bühne, die über den Streik von Fabrikarbeitenden (das Land habe ich leider vergessen) gegen die offensichtlich menschenverachtenden Arbeitszustände beim High-End-Stifte-Hersteller Montblanc berichteten und dazu aufriefen, in den nächsten Tagen zur Demo gegen eben diese Zustände vor dem Montblanc-Laden in der Friedrichstraße zu kommen.
Insgesamt war das Publikum sehr angenehm und - wenn ich das richtig einschätze - stark politisiert.
Zurück in die Chronologie: Bevor es mit den Bands los ging, hatte sich eine*r meiner Begleiter*innen noch schnell eine Gurke aus dieser riiiiesigen Gurkendose, die es an der Theke gab, gegönnt. Eigentlich hätte ich mal diese Dose fotografieren sollen, aber nun müsst ihr mit Gurke und Pumpernickel (das braune runde da) vorlieb nehmen.
Spätestens bei diesem Bild wisst ihr auch, warum der Rote Salon Roter Salon heißt.
Spätestens bei diesem Bild wisst ihr auch, warum der Rote Salon Roter Salon heißt.
DIENSTHUND spielten auf.
Die gerade noch Gurken essende Begleitung raunte mir zu "Das sieht nach Art-Punk" aus. Ich erwiderte, dass ich "Avantgarde-Punk" befürchte. Und die ersten Töne bestätigen meine Befürchtungen, und ich sah mich die nächsten 30+ Minuten anstrengend-verkopften Punkrock ausgesetzt.
ABER: Nach 1 Minute hatte mich diese Band voll und ganz in ihren Bann gezogen. Ich bin am nächsten Tag tief in den Bierschinken-Archive-Keller gestiegen und habe die Rezension von Peter gelesen, der sich das Album "Schreibtischtäter" zu Gemüte geführt hat.
Ich zitiere mal aus Peter's Rezension, weil es die Musik so gut auf den Punkt bringt: "Für mich ist dieser hier gespielte Lofi Synth-Punk manchmal schwer greifbar und daher auch schwer beschreibbar. Passende Attribute sind sicherlich: düster, pessimistisch, kalt, weird, schnell und sperrig. Immer wieder packen mich Melodie oder Textfragmente [...]". Teile dieses Zitats haben es sogar in den Pressetext der Veranstaltung geschafft. Bierschinken taking over ze Theaterlandschaft!
Auf Tape ist das Ganze schon etwas schwerer verdaubar, aber live definitiv ein Brett.
Die gerade noch Gurken essende Begleitung raunte mir zu "Das sieht nach Art-Punk" aus. Ich erwiderte, dass ich "Avantgarde-Punk" befürchte. Und die ersten Töne bestätigen meine Befürchtungen, und ich sah mich die nächsten 30+ Minuten anstrengend-verkopften Punkrock ausgesetzt.
ABER: Nach 1 Minute hatte mich diese Band voll und ganz in ihren Bann gezogen. Ich bin am nächsten Tag tief in den Bierschinken-Archive-Keller gestiegen und habe die Rezension von Peter gelesen, der sich das Album "Schreibtischtäter" zu Gemüte geführt hat.
Ich zitiere mal aus Peter's Rezension, weil es die Musik so gut auf den Punkt bringt: "Für mich ist dieser hier gespielte Lofi Synth-Punk manchmal schwer greifbar und daher auch schwer beschreibbar. Passende Attribute sind sicherlich: düster, pessimistisch, kalt, weird, schnell und sperrig. Immer wieder packen mich Melodie oder Textfragmente [...]". Teile dieses Zitats haben es sogar in den Pressetext der Veranstaltung geschafft. Bierschinken taking over ze Theaterlandschaft!
Auf Tape ist das Ganze schon etwas schwerer verdaubar, aber live definitiv ein Brett.
Nächstes Zitat der Gurke essenden Begleitung: "So einen Sänger kannste Dir nicht schnitzen". Ja! Dieser Typ hatte eine enorme Präsenz mit einem leicht wahnsinnigen Blick (nicht böse gemeint) und wirbelte unstetig auf der Bühne rum. Teilweise im Wechselspiel singend mit der ständig an irgendwelchen Knöpfen am rumfrickelnden Synthie-Person (sowas beeindruckt mich ja immer ein bisschen, so ein umfrickeln und schöne Töne rausbekommen) oder mit Backup von den anderen Bandmitgliedern. Als das Set vorbei war, DIENSTHUND aber noch Zeit hatten, spielten sie die ersten drei Lieder des Sets nochmal und von mir aus hätten sie das ganze Set noch ein paar Mal spielen können.
Dann kamen MESSED UP. Eine 4er Combo aus Belarus und der Ukraine, die aber im Exil in Polen leben.
Und die machten da weiter, wo die Vorband aufgehört hat: Die Musik ging sehr nach vorne, die Energie, die die Band ausgestrahlt hat, war wahrscheinlich noch bis in die hinterste Ecke zu spüren.
Hatte auch und vor allem was mit der Sängerin zu tun, die unentwegt auf und ab lief, kickte, boxte, grinste, schreite, wütend war, lachte und überhaupt.
Und die machten da weiter, wo die Vorband aufgehört hat: Die Musik ging sehr nach vorne, die Energie, die die Band ausgestrahlt hat, war wahrscheinlich noch bis in die hinterste Ecke zu spüren.
Hatte auch und vor allem was mit der Sängerin zu tun, die unentwegt auf und ab lief, kickte, boxte, grinste, schreite, wütend war, lachte und überhaupt.
Die Texte, die ich verstanden hatte, gingen gut rein. Und die, die ich nicht verstand, wurden von den Leuten im Publikum getragen, die sie verstanden. Durch die Ansagen der Band wusste ich zumindest, dass sie sich mit den politischen Verhältnissen in Belarus, in der Ukraine und den Krieg gegen die Ukraine auseinander setzen. Bei diesen Liedern jedenfalls hatte ich das Gefühl, dass die Energie besonders stark war.
Dieses Foto ist vor allem entstanden, um h*einz_zweidreI, der an diesem Abend schmählich vermisst wurde, bei seinem Ziel, Bierschinken zum Mode- und Inneneinrichtungsblog umzumodeln, zu unterstützen.
Und um zu zeigen, dass der Rote Salon eine wirkliche schöne Location ist, der ich gerne bald wieder einen Besuch abstatte. Und sehr wieder bei der "Vergessene Arbeitskämpfe - Ein Punk-Abend"-Reihe: Politische Bildung und neue Bands kennenlernen an einem Abend, was für ein großartiges Konzept!
Vor allem, wenn man im Nachhinein dann mal liest, was das Ziel ist:
"Der Punk muss zurück an die Volksbühne, und Kämpfe von Arbeiter:innen müssen zurück an ein Arbeitertheater. In den letzten Jahren sind zahlreiche Orte der Subkultur in Berlins Mitte verschwunden. Dem wollen wir mit unserer Konzertreihe etwas entgegensetzen und zugleich Neues etablieren. Im Kern sind wir 10 Arbeiter:innen der Volksbühne, die, unterstützt von vielen Kolleg:innen, seit 2019 alle acht Wochen Punkkonzerte im Roten Salon veranstalten. Unser Prinzip: An jedem Konzert wird eines Arbeitskampfes gedacht. Diese Kämpfe – auch weltweit – liegen sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. Viele Arbeitskämpfe sind in Vergessenheit geraten. Wir wollen an die Geschichten, die Wut und den Mut der Kolleginnen und Kollegen erinnern. Vor allem wollen wir die Geschichten überhaupt erst mal erzählen." Webseite
Und um zu zeigen, dass der Rote Salon eine wirkliche schöne Location ist, der ich gerne bald wieder einen Besuch abstatte. Und sehr wieder bei der "Vergessene Arbeitskämpfe - Ein Punk-Abend"-Reihe: Politische Bildung und neue Bands kennenlernen an einem Abend, was für ein großartiges Konzept!
Vor allem, wenn man im Nachhinein dann mal liest, was das Ziel ist:
"Der Punk muss zurück an die Volksbühne, und Kämpfe von Arbeiter:innen müssen zurück an ein Arbeitertheater. In den letzten Jahren sind zahlreiche Orte der Subkultur in Berlins Mitte verschwunden. Dem wollen wir mit unserer Konzertreihe etwas entgegensetzen und zugleich Neues etablieren. Im Kern sind wir 10 Arbeiter:innen der Volksbühne, die, unterstützt von vielen Kolleg:innen, seit 2019 alle acht Wochen Punkkonzerte im Roten Salon veranstalten. Unser Prinzip: An jedem Konzert wird eines Arbeitskampfes gedacht. Diese Kämpfe – auch weltweit – liegen sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. Viele Arbeitskämpfe sind in Vergessenheit geraten. Wir wollen an die Geschichten, die Wut und den Mut der Kolleginnen und Kollegen erinnern. Vor allem wollen wir die Geschichten überhaupt erst mal erzählen." Webseite