
Intro: Ich entziehe mich ja schon seit längerem digitalen Diskussionen jeglicher Art. Ich bin davon einfach viel zu genervt und aufgewühlt. Mit meinem Printzine "HansaZeneca" hatte ich eine tolle Möglichkeit, meine Ansichten in die Welt zu rotzen ohne mich auf (digitale) Diskussionen einlassen zu müssen.
Mit der Einstellung des Zines versuche ich jetzt mal an dieser Stelle, diese ganz eigene Lücke doch irgendwie digital zu schließen ohne in den alten Strudel reingerissen zu werden. Und da es sich hier um ein Thema handelt, zu dem ich nicht einmal im "Real Life" Bock habe zu diskutieren, ist das vielleicht der perfekte Einstieg, um Kommentare dazu erst gar nicht zu lesen und somit vollends zu ignorieren. Passiert ja eh nicht auf meiner eigenen Seite. Gut so. Los geht´s:
Ich brauch mal wieder ne Facebook-Pause. Was da gerade abgeht, erinnert mich an manche Sexismus- oder Punk-Too-Diskussionen, in denen vor allem die oft zitierten und sich selber zitierenden "alten weißen Männer" (ja, sorry, war zumindest in den von mir gelesenen Wortmeldungen so) sich im Bashing gegenseitig übertreffen und der Meinung sind, es besser zu wissen, als die sich benachteiligt/diskriminiert fühlenden Personen. Ähnliches passiert jetzt beim Thema "kulturelle Aneignung". Nur dass sich deutlich mehr Personen beteiligen. Viele natürlich, die FFF sowieso scheiße finden. Aber auch andere, denen das alles "zu weit geht". Die das "übertrieben finden". Die einfach nur drauf losbashen und plötzlich sogar ein neues Lieblingsthema haben. Wieder alles Menschen, die der betroffenen marginalisierten Gruppe nicht angehören. Likes werden an "die sind so links, die kommen wieder rechts raus"-Kackhaufenpostings gemacht, das Hufeisen ist wieder ganz groß in Mode. Fragen werden gestellt ("darf ich jetzt auch nicht mehr..."), aus denen deutlich wird, dass ein wirkliches Auseinandersetzen mit dem Thema gar nicht gewollt ist. Man ist ja schließlich "links" und wenn dann auf einmal "noch linkere" (sic!) Themen, die sich außerhalb des eigenen Themenspektrums befinden, auftauchen, dann sind die Mechanismen schnell in Gange. Und wenn sich dann tatsächlich mal jemand die Mühe macht, seine Lieblingssuchmaschine zu bemühen, dann werden irgendwelche Kommentare und Meinungen von "alten weißen Männern" oder (in dem Kontext) anderer privilegierter Personen verlinkt. Isso, tut mir leid, dass das so gut passt. Bin ja selber einer.
Versuchen wir uns mal nur den Fakten zuzuwenden: Offenbar gibt es aus einer marginalisierten Gruppe heraus Ansichten, dass das Verhalten von (in diesem Kontext) privilegierten Menschen hinsichtlich der Übernahme von bestimmten kulturellen Eigenschaften, problematisch sei. Das ist ja jetzt auch keine Erfindung von FFF, sondern wird in linken Kreisen immer mal wieder thematisiert und hat seinen Ursprung selbstverständlich bei den betroffenen marginalisierten Personen selber. Leider Menschen, die in unserer Lebenswirklichkeit (bzw. den meisten von uns) sehr selten vorkommen.
Was mache ich jetzt damit als einer, der sich mit der Geschichte diesbezüglich viel zu wenig auskennt? Als einer, der Rassismus nie erlebt hat und sich in die Gefühlswelt diesbezüglich null hineinversetzen kann? Der die Bedeutung der Problematik unter den Dreadlocktragenden und vom Rassismus betroffenen Personen irgendwie nicht kennt und erst recht nicht greifen kann? Ich, der die Hälfte seines Lebens Dreads hatte. Und das ist länger, als viele der FFF-Bewegung Lebensjahre auf dem noch nicht sehr ausgeprägten Buckel haben (und dennoch scheißegal).
Ich zitiere an der Stelle mal die Worte einer alten Freundin, die ich (ausgerechnet) bei Facebook aufgegriffen habe: "Ich komme auch nicht mehr immer mit, aber eigentlich finde ich es ja sehr cool, dass diese Generation sehr sensibel auf jedwedige Themen reagiert, die mit Diskriminierung und Rassismus zu tun haben." Ja!
Ich bin in all den Jahren immer mal wieder auf das Thema angesprochen worden. Leider waren die Gespräche nie so tiefgreifend, dass ich wirklich mal länger darüber nachgedacht habe. Finde ich schade, da ich jetzt natürlich gut reden habe, wo die Dinger seit ca. nem Jahr ab sind. Nicht wegen kultureller Aneignung, sondern weil mich die Teile einfach nur noch genervt haben.
Als ich sie mir damals habe machen lassen, war der Hauptgrund, dass ich alles andere auf meinem Kopf total scheiße fand. Dreads fand ich halbwegs OK. Als ich dann ein paar mal mit dem Thema (viel zu kurz) konfrontiert wurde, habe ich meine Dreads irgendwann auch ein Stück als Solidaritätsbekundung mit vom Rassismus betroffenen Menschen gesehen. Das war aber natürlich mehr ein schön- bis rausreden, als alles andere.
Ich hätte Ronja Maltzahn nicht ausgeladen. Ich würde Dreads auch nicht als Ausschlusskriterium bei von mir selbst veranstalteten Gigs setzen. Auch nicht thematisieren. Ich würde auch nie eine Person mit Dreads wegen diesen verurteilen, scheiße finden oder sonst irgendwie negativ gegenüber stehen. Natürlich habe auch ich einige dreadlocktragenden Menschen im Freundes- und Bekanntenkreis. Und all das war auch nie ein Thema und wird es vermutlich auch nie werden. Aber ich kann auch nicht beurteilen, inwiefern sich vom Rassismus betroffene Menschen durch die kulturelle Aneignung schlecht fühlen. Ich habe mich nie ausreichend mit dem Thema beschäftigt. Ich weiß auch nicht, ob ich die derzeitige Diskussion zum Anlass nehmen würde, mich mal etwas intensiver mit dem Thema zu befassen, wenn ich noch Dreads hätte und was danach mit meiner Kopfhaut passieren würde. Ich weiß aber, dass ich nicht in diesen Schutzmechanismus verfallen würde und jede Kritik von mir abweisen würde. Aber ich weiß auch, dass ich nicht konsequent genug bin, indem ich mich auch heute nicht weiter damit beschäftige.
Ich finde es jedenfalls uncool, wenn man das Thema als nicht marginalisiert betroffene Person einfach mal wieder ins Lächerliche zieht, es als unnötig oder übertrieben ansieht oder whatever. Wenn marginalisierte Menschen Probleme mit dem Verhalten von Menschen der (in diesem Kontext) privilegierten Gruppe haben, dann respektiere ich das. Wenn ich mich in Betroffene nicht reinversetzen kann (wie auch?) und ich am Ende vielleicht auf Grund des eigenen Verständnisses oder fehlender Auseinandersetzung sogar nicht in der Lage bin, mich solidarisch mit diesen zu erklären, dann halt ich einfach mal die Schnauze (ich kenn tatsächlich auch so einige "Männer", die mir gegenüber erklärt haben, dass das ganz genau der Grund ist, warum sie sich selber zum Thema "punktoo" gar nicht äußern: Schwierigkeiten das alles nachvollziehen zu können, aber trotzdem zu respektieren, dass es offenbar Menschen einer in dem Kontext marginalisierten Gruppe gibt, die sich benachteiligt fühlt). Einfach mal keine Meinung zu einem Thema haben. Einfach mal innehalten, als (in einem bestimmten Kontext) privilegierte Person. Denn es geht unterm Strich einmal mehr um Diskriminierung. In Zeiten von Social Media für viele offenbar nicht leicht.
[...hier geht's weiter]